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Dunkler Winter

Dunkler Winter

Titel: Dunkler Winter
Autoren: David Luckett
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Hebelwirkung und mag imstande sein, die Klinke einige Zeit niederzu halten.«
    »Aber das ist nutzlos. Wir können die Tür in kurzer Zeit einschlagen, und inzwischen kann sie nirgendwo hin. Jemand wird kommen und nachschauen, was der Lärm zu bedeuten hat.«
    »Sie kann nicht entkommen.«
    Ich lauschte. Ja. Sie war noch da. Ich konnte ihr angestrengtes Atmen hören.
    »Hier«, sagte Silvus zu mir, »ich werde den Fallrie gel nach oben drücken, falls sie die Flucht ergreift. Du nimmst die Hellebarde der Schwester und schlägst über dem Riegel die Tür durch. Vielleicht bekommt die Klinge dabei eine Scharte, aber… was war das?«
    Es war das scheuernde Knirschen von Stein auf Stein. Wir lauschten, und es wiederholte sich. Es ging von der Rückwand aus, vom Altar. Der vorstehende Sims, der ihn bildete, schob sich weiter vor; dann knirschte es wieder, und der Stein, aus dem der Sims gemeißelt war, schob sich erneut ein Stück heraus.
    Noch ein Stück, und nun konnten wir sehen, dass ein Steinquader sich langsam, Zoll für Zoll, aus der Wand schob. Ein weiterer Stoß, noch einer, und wir beobachte ten in leerer Verblüffung, wie er sich wieder ein Stück heraus schob und dann mit einem dumpfen Poltern her aus fiel.
    Und Priorin Barbara kroch hervor. Alles, was nach zwei Jahrhunderten von ihrem Körper übrig geblieben war. Ge beine und Stücke eines Ringpanzers auf verrottetem Leder. Und ein Schwert, rot vom Rost. Das Etwas entfaltete sich und kam knarrend auf die knochigen Füße, verstreute die ersten Frühlingsblumen, die auf dem Altar der Göttin niedergelegt worden waren, eine Dankesgabe für ihr Ge schenk des Frühlings. Die Gestalt richtete sich auf und schob sich schlurfend vorwärts, eine kratzende, scharrende Karikatur von Mercedas schleifenden Schritten.
    Ich hätte mein Frühstück und das Abendessen vom Vortag, schreiend und zusammen gekrampft vor Entset zen von mir geben können. Ich weiß, dass Silvus sich übergab und dass die nüchterne Tapferkeit der Schwester angesichts des Verrats und des Schocks ihre Grenze er reicht hatte, und ich mache keinem von ihnen einen Vor wurf daraus. Mir hätte es noch schlechter gehen sollen. Aber es war nicht so. Denn etwas an diesen spröden grauen Fußknochen, die die zarten Blütenblätter auf den Steinplatten zerrieben, etwas an der grässlichen Blas phemie dessen, was hier geschah, erfüllte mich mit einer weiß glühenden Wut, die ich weder vorher noch nachher jemals fühlte. Sie brachte etwas wie eine große Ruhe und Entschlossenheit mit sich, und ich wusste, dass mir nichts etwas anhaben oder mir widerstehen konnte. Hände schienen auf meinen Schultern zu liegen, das Licht nahm zu und ab, und eine wilde wütende Begeisterung ergriff Besitz von mir.
    Die Fackel lag in meiner Hand. Ich hob sie wie ein Ban ner, brüllte eine Herausforderung. Dann stieß ich sie in das abscheuliche, mit pergamentenen Hautfetzen behan gene Gesicht der Schreckensgestalt.
    Die Fackel war geteert, und der heiße Teer tropfte und rann brennend die Gebeine herab. Das Skelett schlug zu, schneller als irgendetwas Lebendes sich bewegen kann, aber die Fackel parierte den Schlag mit Leichtigkeit. Ich stieß die Flamme in den morschen Brustkorb, und etwas fing Feuer. Es war trockenes, staubiges Pergament auf braunen Knochen, und Teer vom Kopf der Fackel blieb dort haften, brannte weiter und fand neue Nahrung. Wieder stieß die Untote zu, schneller als das Züngeln einer Schlange, und eine rostige Klinge fuhr mir über die Rip pen, als ich ausholte, um die flammende Fackel in den staubtrockenen, halb mumifizierten Bauch zu stoßen. Es knisterte, und ich hielt die Fackel, bis sie mir aus der Hand gerissen wurde. Ein Gestank verbreitete sich, übler als ich beschreiben kann, und der Kadaver brannte jetzt hell, stieß jedoch wieder zu. Ich blutete, spürte aber kei nen Schmerz. Trotzdem geriet ich in Wut, und da mir andere, wirksame Waffen fehlten, duckte ich einen weiteren Stoß mit dem Messer ab, wuchtete den Steinblock vom Boden hoch und warf ihn in das brennende, qualmende Gerippe. Er zerschmetterte Becken und Rückgrat – und das Skelett zerfiel in Stücke. Ich übersprang den Stein block und stieß den Schädel mit einem Fußtritt durch den Raum. Er prallte gegen die Wand und zerplatzte in hun dert Stücke.
    Ich weiß nicht, wie lange ich qualmende, stinkende Ge beine zerschlagen und Bruchstücke und Knochenscherben zertrampelt hatte, bis ich merkte, dass sie sich nicht mehr
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