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Dunkler Winter

Dunkler Winter

Titel: Dunkler Winter
Autoren: David Luckett
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mich richteten und mich nun kühl musterten.
    Ich glaube, ich machte es genauso. »Ärger, Per?«, fragte ich, ohne den Blick von ihr zu wenden.
    »Sie will für fünf Pfennige mit einer Münze bezahlen, die ich noch nie gesehen habe. Ich sagte, sie sei keine drei wert. Zwei davon als Brückenzoll für ein Pferd…«
    Ich nahm die Münze auf, eine dünne, abgegriffene Scheibe, auf der noch ein Kopf zu sehen war, und ließ sie auf die Eisenplatte des Zahlbrettes fallen. Sie klang gut. Silber, oder ich bin ein Nessaner. Musste acht von den Spielmarken wert sein, die Fürst Nathan heutzutage Pfen nige nannte.
    »Fünf ist in Ordnung. Einen zurück. Und besten Dank.«
    Dafür bekam ich ein Kopfnicken.
    »Aber…«
    »Gib den Pfennig heraus, Per. Leute warten.«
    Er nahm die Münze, gab murrend einen Pfennig heraus, dann wollte er mir klarmachen, dass er der Geld wechsler sei, und ich bloß der Muskelmann, und wenn ich…
    Ich sagte ihm, er solle sich beruhigen. Das Pferd war eine große, kräftig gebaute braune Stute. Sie trug Pack taschen und ein einfaches Trensengebiss. Kein Streitross für Ritter, aber dem Gewicht der Reiterin ohne weiteres gewachsen. Ich warf einen Blick auf das Sattelzeug und nickte beinahe. Es war kaum nötig, den Inhalt des mit Stoff umwickelten langen Bündels zu erraten, das auf einer Seite in Längsrichtung festgeschnallt war. Eine Hel lebarde oder ich wollte Flusswasser trinken.
    Ich sah sie weitergehen und überlegte, bis sie jenseits der Brücke zwischen den Fußgängern und Fuhrwerken außer Sicht kam. Dann sah ich nach dem Sonnenstand. Noch eine Stunde, bis das äußere Tor geschlossen und die Menschen sich verlaufen würden. So lange konnte Per ohne mich auskommen, wenn er seine Habgier so weit zügelte, dass Streitigkeiten vermieden wurden.
    »Hab in der Stadt zu tun«, sagte ich zu ihm und trat hinaus.
    »In der Stadt? Was zu tun? Nur wegen dieser Ziege von einem Mannweib?«
    »Ich gebe dir einen guten Rat: Pass auf, was du über sie sagst, hörst du? Das ist kein Mannweib, sondern eine Schwertjungfrau, und dass sie nach Tenabra kommt, kann nur Ärger bedeuten.«
    Ich wandte mich um und schritt aus, so gut es mein Bein erlaubte. Silvus würde wissen wollen, was es mit diesem Fall auf sich hatte, und andere wahrscheinlich auch. Was das betraf, wollte ich es selbst wissen.
    Tenabra ist ein Misthaufen. Wie jeder Bauer weiß, sind Misthaufen nützlich. Gleiches gilt für die Stadt Tenabra. Misthaufen wimmeln von Leben; allerdings riechen sie nicht allzu gut, und Gleiches gilt auch hier für die Stadt Tenabra.
    Die Straßen waren wie immer überfüllt. Es war kein be sonderer Tag, und es war nicht mehr als die übliche Zahl von Raufereien, Morden, Vergewaltigungen und Berau bungen zu erwarten – aber es lag vielleicht etwas mehr Festtagsstimmung als sonst in der Luft. Der Hof lag in der Stadt, und das bedeutete, dass mehr Geld ausgegeben wurde. Es konnte auch bedeuten, dass man Gefahr lief, von der berittenen Eskorte eines adligen Herrn von der Straße in den Rinnstein gedrängt zu werden oder die Fel der von den Pferden einer höfischen Jagdgesellschaft zer trampelt oder den Marktstand von einer Gruppe über mütiger junger Herren zertrümmert zu sehen. Aber die Schneider, Silberschmiede und Gastwirte machten gute Geschäfte. Vorausgesetzt natürlich, dass der Adel sich daran erinnerte, sie zu bezahlen.
    Die Tätigkeiten des Adels gingen die Stadtwache natur gemäß nichts an. Trotzdem wusste ich, dass Silvus in der Wachstube der Herberge sein würde; am Abend eines Hofballes hielt er sich immer dort auf. Es galt Kund gebungen unzufriedener Bürger zu verhindern, die das Ereignis eines Hofballes zum Anlass nehmen könnten, ihrem Unmut Luft zu machen. Unruhen waren schlecht fürs Geschäft und würden unliebsame Aufmerksamkeit erre gen. Für Silvus war die Herberge das einzige Territorium, das ihm geblieben war, seit seine Familie ihren Grundbe sitz verloren hatte.
    Mühsam erstieg ich die Stufen zur Herberge. Sie waren alt, abgetreten und schlüpfrig, wie die Stadt selbst, und meinem verletzten Bein war nicht nach vielem Herum springen. In der Herberge hatte früher die Gemeinde verwaltung ihren Sitz gehabt und der Gemeinderat seine Versammlungen abgehalten, bevor die Stadt und ihr Wohlstand so gewachsen waren, dass man sich größeren Plänen hatte zuwenden können. Jetzt tagte der Stadtrat im neuen Rathaus, und die Herberge diente uns von der Stadtwache, dem Amt für Gewichte und Maße
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