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Dunkler Winter

Dunkler Winter

Titel: Dunkler Winter
Autoren: David Luckett
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oder schriftlich abge fasst sein.«
    Silvus legte den Kopf auf die Seite. »Oft besteht dann die Schwierigkeit darin, dass die Parteien sich nicht an die gleichen Bedingungen erinnern.«
    »Das sollte hier kein Hindernis sein. Ich habe eine ge naue Aufzeichnung bei mir.«
    Alles das war nur ein Abtasten. Sie musste inzwischen gewusst haben, dass die Grafen von Tenabra nicht mehr als Höflinge waren, ganz gleich, welche Bedeutung sie in der Zeit ihrer Urgroßväter gehabt haben mochten. Sie sprach von Verträgen und Bedingungen, als ob der Graf die einen schließen und die anderen annehmen könnte. Das traf schon seit einer Generation nicht mehr zu. Ich hätte nicht gewusst, ob es jemals zutreffend gewesen war, wenn ich es mir nicht zur Gewohnheit gemacht hätte, mich im Stadtarchiv mit den Ereignissen früherer Zeiten vertraut zu machen. Dort gab es Zimmer voll von alten Schriften, gebundenen Schwarten und Pergamentrollen. Der Graf befiehlt… Der Graf dekretiert… Der Graf verlangt… hieß es dort. Heutzutage war Fürst Nathan derjenige, der befahl, dekretierte und verlangte.
    Silvus schien zu überlegen. »Hat der Kammerherr Sei ner Durchlaucht«, fuhr er fort, »vielleicht angedeutet, wann der Graf Sie empfangen wird?«
    Sie lächelte wieder, diesmal wie das glitzernde Eis eines frostigen Wintermorgens.
    »Eigentlich hatte ich daran gedacht, den Grafen – Ruane heißt er, nicht wahr? – heute Abend aufzusuchen. Die Angelegenheit eilt.«
    »Natürlich. Allerdings findet heute Abend ein Hofball zu Ehren des anwesenden Fürsten Nathan statt. Es kann gut sein –«
    »Fürst Nathan, ja. Wir haben von ihm gehört. Vielleicht würde es unter den Umständen das Beste sein, wenn er konsultiert würde. Ein wertvoller Vorschlag, Ser Castro.«
    Sie trank ihr Glas aus und stand auf. Silvus tat es ihr gleich, und sobald ich mich von der Überraschung er holt hatte, folgte ich seinem Beispiel. Sie verzog keine Miene, aber um ihre Augen spielte die Andeutung feiner Runzeln.
    »Gehen wir also?«, fragte sie.

KAPITEL 2
    Inzwischen war es Nacht geworden. Ich folgte den beiden durch die Straßen und ver suchte mir darüber klar zu werden, was vor ging. Ich hatte Silvus noch nie von dieser Seite erlebt. Weltmännisch, gewandt – sogar vor nehm. Er konnte Konversation machen, die wie eine Zwiebel war, Schichten in kaum er kennbaren Schichten.
    Mir war nicht klar, was er vorhatte. Es war nicht seine Sorge, wenn diese überlange Walküre zum Palasttor hinaufging, von der Garde abgewiesen wurde und entweder klein beigab oder sich mit Gewalt Zugang zu verschaffen suchte. In diesem Fall würde es allerdings fraglich sein, ob sie die Erfahrung überlebte. Nicht dass ich ihre Tüchtigkeit bezweifelte. Wahrscheinlich würde sie zwei oder drei von ihnen außer Gefecht setzen, aber das änderte nichts am Ausgang. Nur dass man sie abwei sen würde, war so sicher wie der Bär im Wald scheißt.
    Als wir auf sie gewartet hatten, hatte ich versucht, eine Andeutung von ihm zu bekom men, aber Silvus war plötzlich verschlossen.
    Die Wartezeit sollte ihr Gelegenheit geben, die Gesell schaftstracht ihres Ordens anzulegen, wie sie es nannte. Sie bestand aus einem langen, ärmellosen Gewand, cre mefarben, das über einem leichten, hell glänzenden Kettenhemd mit zurückgeschlagener Haube getragen wurde. Dazu gehörten ein silberner Reif, der das zum Zeichen ihrer Jungfräulichkeit jetzt offene Haar aus dem Gesicht hielt, und niedrige, flache Stiefel aus weichem Leder. Und die Hellebarde.
    Diese war so lang wie sie selbst, eine Stangenaxt mit einem scharfen Haken am Ende und einem hammerartig ausgebildeten Rücken zum Ausbalancieren der gebo genen Klinge. Blauer Stahl, bösartig und schimmernd, scharf wie der Winterwind und gemacht für den Kampf auf Leben und Tod. Keine elegante leichte Zierwaffe, son dern dieselbe, an der sie ausgebildet worden war und die der Orden im Kampf verwendete. Sie taugten nicht nur dazu, sich mit Schwertern und Kurzspießen bewaffnete Gegner vom Leibe zu halten, sondern auch zum Herab ziehen eines Reiters von seinem Pferd. Ein Dolch mit Sil bergriff und eine Börse an ihrem Gürtel vervollständigten die Ausrüstung.
    Bald kamen wir aus der Skittelgasse auf den weiten Platz vor dem Palasttor, wo man uns die kalte Schulter zeigen würde.
    Schon von weitem sahen wir eine Menschenmenge vor dem offenen Tor und vier Mann der Palastgarde, die sie mit den quer gehaltenen Stangen ihrer Hellebarden zu rückdrängten. Zwei weitere,
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