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Dunkler Wahn

Dunkler Wahn

Titel: Dunkler Wahn
Autoren: Wulf Dorn
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nach der Tüte mit frischer Unterwäsche, die Marenburg ihm mitgebracht hatte. Seine Hände zitterten. »Jana wird sicherlich schon darauf brennen, mich mit ihrem Plan B vertraut zu machen.«
    »Das denke ich auch«, bestätigte Stark. »Aber Sie gehen nicht allein. Ich werde Sie begleiten.«
    »Nein.« Jan winkte ab. »Thanner wird offener zu mir sein, wenn ich allein mit ihm rede.« Er sah sich suchend um. »Wo sind meine restlichen Klamotten? Ich muss aus diesem albernen Krankenhaushemd raus.«

79
    Hauptmeister Tom Hauser hatte sich freiwillig für die Bewachung von Zimmer 101 gemeldet. Sein Streifendienst in den letzten Wochen war anstrengend gewesen. Vor allem der Einsatz beim Brand des Pfarrhauses hatte einige Überstunden nötig gemacht, und nun hoffte er auf ein paar ruhige Stunden auf der Chirurgiestation des Stadtklinikums.
    Es war in der Tat alles ruhig, um nicht zu sagen zu ruhig . Hauser hatte sich bereits zu langweilen begonnen.
Außerdem wurde der ungepolsterte Plastikstuhl immer unbequemer.
    Auf dem Stuhl neben ihm lag ein Stapel Zeitschriften, die er sich aus dem Schwesternzimmer geliehen und inzwischen durchgelesen hatte, und seine Schicht sollte noch weitere vier Stunden dauern. Also hatte er eine der Schwestern gefragt, ob sie ihm einen Kugelschreiber für das Kreuzworträtsel leihen könne.
    Nein, hatte diese entgegnet, ihren Kugelschreiber werde sie nicht aus der Hand geben, da es mal wieder ihr einziger sei. Dieses Krankenhaus leide nicht nur unter einem Pflege-, sondern auch unter einem Kugelschreibernotstand, hatte sie seufzend hinzugefügt. Stattdessen gab sie ihm einen Bleistift.
    Wie sich spätestens bei der altägyptischen Königin mit neun Buchstaben herausstellen sollte, war der Bleistift sogar noch besser, fand Hauser, und ließ »Kleopatra« mit dem Radierer an der Rückseite verschwinden und zu »Nofretete« werden.
    Hin und wieder waren aus dem Krankenzimmer leise Geräusche zu hören. Das Scharren eines Stuhls auf dem Linoleumboden, das Klappern einer Tasse oder das Schlurfen von Schritten, wenn der Verrückte zur Toilette ging.
    In letzterem Fall leuchtete eine rote Lampe an der Außenseite der Tür auf, die signalisieren sollte, dass sich jemand im Eingangsbereich des Zimmers befand. Wann immer diese Lampe aufleuchtete – in Hausers Schicht war das bisher fünfmal der Fall gewesen –, berührte der Polizist instinktiv die Heckler & Koch an seinem Holster. Ruhiger Dienst hin oder her, in dem Zimmer, auf das er achten sollte, befand sich ein Verrückter, der seiner Kenntnis nach mindestens zwei Menschen mit bloßen Händen umgebracht hatte.

    Und dass der Kerl verrückt war, bezweifelte Hauser keinen Moment. Hin und wieder hörte er ihn jenseits der Tür leise murmeln, sonderbar monoton, als würde er Beschwörungsformeln hersagen. Dabei klang seine Stimme wie die einer Frau, was Hauser jedes Mal eine Gänsehaut bereitete. Ihm war, als würde der Kerl da drin auf irgendetwas warten.

80
    Flankiert von Stark und Marenburg ging Jan den Gang entlang. Er war noch etwas wackelig auf den Beinen, versuchte es sich jedoch nicht anmerken zu lassen. Die genähte Schnittwunde an seinem Oberschenkel brannte bei jedem Schritt. Das lag hauptsächlich am kalten Schweiß, der ihm aus allen Poren drang, je näher sie Zimmer 101 kamen.
    Als der wachhabende Polizist sie kommen sah, legte er sein Kreuzworträtsel beiseite und stand auf.
    »Es gab keine besonderen Vorkommnisse«, meldete er.
    Stark nickte, dann wandte er sich Jan zu. »Dr. Forstner, ich halte es nach wie vor für keine gute Idee, dass Sie da allein hineingehen wollen.«
    »Ich weiß, aber das, was Thanner beziehungsweise Jana vorhat, wird er nur mir sagen wollen.«
    »Genau das befürchte ich auch, aber riskieren Sie trotzdem nichts. Wenn er Ihnen nicht sagen will, wo sich Frau Weller aufhält, gehen Sie wieder. Haben Sie das verstanden? «
    »Jana wird es mir sagen. Darauf hat sie doch nur gewartet. «

    »Jan«, Marenburg sah ihn aus mitleidsvollen Augen an, »was immer diese Person da drin dir sagen wird, du wirst es nicht mehr ändern können.«
    »Ja, Rudi, ich weiß.« Und genau davor hatte Jan die meiste Angst.
    Es kostete ihn einige Überwindung, nach der Klinke zu greifen, doch als er sie niedergedrückt hatte, betrat er den Raum ohne weiteres Zögern.
    Diese Person , hatte Rudi gesagt. Tatsächlich war das die beste Formulierung für das, was Jan auf dem Bett sitzend vorfand. Auch wenn die Perücke und die falsche Haut
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