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Dunkler Wahn

Dunkler Wahn

Titel: Dunkler Wahn
Autoren: Wulf Dorn
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Marenburg, »es gibt eben doch einen Unterschied zwischen dem, was man im Internet vorgibt zu sein, und dem realen Wesen einer Person. Ich hatte mir eingebildet, dass Doris eine Traumfrau ist. Jemand, der hundertprozentig mit mir auf einer Wellenlänge liegt. Tja, aber im Chat geht eben doch so einiges unter.«
    »Das tut mir leid für dich, Rudi.«
    »Na ja, ich wusste zwar, dass die Gute esoterisch angehaucht ist, aber ich hatte nicht so viel darauf gegeben. Das ganze Ausmaß wurde mir erst bei unserer Begegnung klar. Nein, das war nichts für mich. Ich stehe nicht so darauf, meinen Namen für die Sonnenuntergangsgöttin in den Sand zu tanzen.«
    Mit der letzten Bemerkung wollte Rudi ihn gewiss aufheitern, aber Jan war nicht nach Lachen zumute.

    »Jana hat im Grunde denselben Fehler gemacht«, sagte er mehr zu sich selbst. »Nur dass ihre Vorstellungen von der großen Liebe weitaus fanatischer gewesen sind. Und weil sie wusste, dass es sich dabei nur um eine Illusion handelte, so wie sie selbst nur eine Illusion war, hatte sie diese Liebesbeziehung in einem Leben nach dem Tod verwirklichen wollen.«
    »Da kann man schon ins Grübeln kommen, was wir uns unter der großen Liebe so vorstellen«, sagte Marenburg nachdenklich. »Sehnen wir uns nach dem Ideal, das wir im Kopf herumtragen, oder können wir einen Menschen auch so annehmen, wie er wirklich ist? Ich meine, mit allen Ecken und Kanten.«
    »Frag mich nicht, Rudi. Wir sind Männer. Wir werden das nie verstehen.«
    Es klopfte, und Rutger Stark sah zu ihnen herein. »Ah, Sie sind jetzt wach. Störe ich?«
    »Nein, kommen Sie herein.«
    Stark betrat das Zimmer und machte dabei einen unsicheren Eindruck. Etwas schien ihn zu bedrücken.
    »Hier«, sagte er und stellte ein Glas mit eingelegter Roter Bete auf dem Nachttisch ab. »Ich habe mal irgendwo gelesen, das sei gut für die Blutbildung.«
    »Danke«, entgegnete Jan und sah ihn prüfend an. »Gibt es Neuigkeiten?«
    Mit einem tiefen Seufzer ließ sich der Polizist auf das freie Nachbarbett sinken. »Es geht um Thanner. Hören Sie, Dr. Forstner, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Ich habe diesen Mann unterschätzt, und dieser Fehler hätte Sie fast das Leben gekostet.«
    »Hat er überlebt?«
    »Dr. Mehra sagt, Thanner hat sehr viel Blut verloren, aber er ist außer Lebensgefahr. Wir können ihn morgen in
die JVA verlegen. Wegen der Kehlkopfquetschung wird er dort noch ein paar Tage in der Klinik bleiben müssen. Allerdings …« Mit einem ratlosen Blick kratzte sich Stark am Kopf. »Also, er ist immer noch nicht er selbst, verstehen Sie? Nicht einmal nach der langen Ohnmacht.«
    »Jana ist eindeutig die Stärkere von beiden Persönlichkeiten«, sagte Jan und umklammerte den Haltegriff über dem Bett noch fester. »Aber darum geht es Ihnen doch nicht, oder? Da ist doch noch etwas? Sie wissen, was mit Carla ist, nicht wahr?«
    Stark räusperte sich und verzog betreten das Gesicht. »Nein, das nicht, aber es hat mit Frau Weller zu tun. Sagen Sie, Doktor, als Felix Thanner bei Ihnen war, hat er da mit Ihnen über Frau Weller gesprochen?«
    »Nein, hat er nicht. Nun sagen Sie schon. Was ist los?«
    Stark senkte den Blick. »Wir haben den Mini Cooper Ihrer Lebensgefährtin gefunden. Er stand in Stuttgart in einem Park-and-Ride-Parkhaus am Stadtrand. Ein Jugendlicher hatte versucht, ihn aufzubrechen, um an Frau Wellers iPhone auf dem Beifahrersitz zu gelangen. Dabei ist die Alarmanlage losgegangen.«
    »In Stuttgart? Was sollte Carla denn in Stuttgart wollen? «
    »Sie …«, Stark hustete, »sie hat den Wagen dort nicht abgestellt. Es war Thanner. Die Überwachungskamera hat ihn dabei aufgenommen. Er hat sich sogar extra vor die Kamera gestellt und gewunken, um auf sich aufmerksam zu machen. Er … oder vielmehr Jana.«
    »Dann weiß er also, wo Carla ist!«
    Stark nickte. »Höchstwahrscheinlich, ja.«
    »Also, ich habe ja noch immer nicht alles ganz verstanden«, mischte sich Marenburg in das Gespräch ein, »aber warum sollte dieser Thanner Carla auch noch entführen?
Er war doch drauf und dran, mit dir ins Liebesnirvana abzutauchen?«
    »Weil er auf Nummer sicher gehen wollte, falls etwas seinen oder eher Tatjanas Plan vereiteln sollte.« Jan zog sich die Infusionskanüle aus dem Arm, schlug die Decke beiseite und stellte die Füße auf den Boden.
    »He, Junge«, rief Marenburg aus. »Was hast du vor?«
    »Ich werde mir etwas anziehen und mit ihm reden.«
    Mit unsicheren Schritten ging Jan zum Tisch und griff
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