Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkler Wahn

Dunkler Wahn

Titel: Dunkler Wahn
Autoren: Wulf Dorn
Vom Netzwerk:
gegeneinander, wie eine Jungfrau, die sich dem Akt verweigern will. Doch Janas Griff war eisern. Sie packte seinen Schenkel, krallte sich in den Muskel und zog sein Bein beiseite, woraufhin Jan eine Reihe spitzer Töne ausstieß und mit dem Hinterteil zu hüpfen begann. Hätte ihnen ein Außenstehender zugesehen, wäre es ihm wahrscheinlich wie eine komödiantische Einlage in einem blutrünstigen Pornostreifen vorgekommen.
    Er musste sie abwerfen, andernfalls …
    Er spürte, wie das Messer zwischen seine Beine drang und ihn schnitt. Die Klinge fühlte sich wie die glühende Spitze eines Lötkolbens an.
    In einem Akt letzter panischer Verzweiflung spannte Jan alle Muskeln an und warf sich mit seinem ganzen Gewicht nach vorn. Jana stieß einen überraschten Schrei aus, als der Stuhl kippte. Auf seinen Knien sitzend, konnte sie das Gleichgewicht nicht halten und fiel zur Seite. Reflexartig streckte sie den Arm aus, um den Sturz abzufangen, aber noch bevor ihre Hand den Boden berührte, schlug sie mit Kinn und Kehle gegen die Tischkante, und Jans Gewicht riss sie mit sich.
    Der Kerzenleuchter schwankte und fiel um. Heißes Wachs spritzte auf sie, dann schlugen die beiden auf den Fliesen auf.

    Jan lag auf ihr, ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, und er sah ihre weit aufgerissenen Augen. Mit beiden Händen hielt sie ihre Kehle umklammert und röchelte panisch.
    Sie warf ihn von sich ab, wand sich auf den Fliesen und strampelte wie von Sinnen. Um sie herum bildete sich eine gewaltige Blutlache. Doch es war nicht nur ihr Blut.
    Entsetzt sah Jan an sich herab. Auch er blutete aus einer klaffenden Wunde.
    Das muss abgebunden werden , dachte er. Aber wie? Wie, zum Teufel, soll das gehen? Ich klebe noch immer an diesem gottverdammten Stuhl!
    Janas Gesicht war angeschwollen und blau verfärbt. Es sah aus, als würde sie ersticken, noch bevor sie verblutet war. Doch Jan war es einerlei. Es kümmerte ihn auch nicht, dass der Tischläufer zu brennen begonnen hatte. Bald würde das ganze Zimmer in Flammen stehen. Aber davon würde er nicht mehr viel mitbekommen. Er würde ebenfalls verbluten. Wer sollte ihm jetzt noch helfen können?
    Er presste seine Schenkel, so fest es ging, aneinander, doch das Blut floss unvermindert weiter. Das Pochen der Wunde wurde nur noch stärker, und schon bald war es das Einzige, was er noch fühlte.
    Mit dem Blut wich auch alle Kraft aus seinem Körper. Ihm wurde schwindlig, die unvermeidliche Ohnmacht kündigte sich an, der ein tödlicher Kreislaufkollaps folgen würde.
    Es ist vorbei , schoss es ihm durch den Kopf. Ganz gleich, was du jetzt noch tust, es ist zu Ende.
    Er hörte noch ein Poltern und ein Röcheln nahe bei sich. Dann dämmerte er davon.

77
    Es war am späten Vormittag des nächsten Tages, als Rutger Stark in seinem Büro saß und die dritte Winston an ihrer Vorgängerin ansteckte. Keiner seiner Kollegen beschwerte sich deshalb. Im Gegenteil, nachdem er den letzten Abzug der Tatortfotos an die Pinnwand geheftet hatte, schnorrte ihn sein Kollege Wegert um eine Zigarette an und ließ sich rauchend neben ihm auf einem Drehstuhl nieder.
    »Was für eine dreimal verfluchte Scheiße«, sagte Wegert in Richtung der Fotos, und jedes seiner Worte wurde von einer Rauchwolke begleitet.
    Stark nickte nur und starrte ebenfalls auf die Fotos. Noch immer spürte er ein Beben in allen Gliedern, als sei er unmittelbar nach der Tatortbegehung an Parkinson erkrankt.
    Die Aufnahmen zeigten Szenen aus Forstners Esszimmer und Küche, aber ebenso gut hätten sie aus einem Schlachthaus stammen können – einem Schlachthaus wie dem von Werner Gessing, und Stark musste an dessen Worte denken: Wenn wir erst einmal drei oder vier Rinder abgearbeitet haben, waten wir hier im Blut .
    O ja, so war es auch in Forstners Wohnung gewesen. Zwar waren die Polizeibeamten nicht durch Blut gewatet, aber ihre mit Überzügen versehenen Schuhe hatten bei jedem Schritt hässlich schmatzende Geräusche von sich gegeben. Auch Felix Thanner hatte »gearbeitet«, und es war einer der schlimmsten Anblicke gewesen, die Stark je in seinem Berufsleben zu sehen bekommen hatte.
    Sein Blick blieb auf dem Foto des blutigen Küchenmessers haften, das als Beweismittel Nr. 2 gekennzeichnet war.
    Stark schüttelt den Kopf. Du hättest es wissen müssen ,
sagte er sich nicht zum ersten Mal an diesem Vormittag. Aber nein, du musstest Forstner ja unbedingt versichern, er müsse sich keine Sorgen machen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher