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Dunkler Dämon

Dunkler Dämon

Titel: Dunkler Dämon
Autoren: Jeff Lindsay
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zu vertiefen.
    In dem Boot war es brütend heiß, und meine schicke Schlechtwetterkleidung machte es auch nicht besser. Ich kam mir vor wie ein leuchtend gelber Teebeutel. Ich nahm einige der eindeutigsten Aufnahmen und steckte sie in meine Tasche. Den Rest legte ich in das Fach zurück, räumte die Koje auf und ging wieder hoch in die Hauptkajüte. Soweit ich das nach einem Blick aus dem Fenster – oder musste ich es Bullauge nennen? – beurteilen konnte, schlich draußen niemand herum, der mich verstohlen beobachtete. Ich schlüpfte aus der Tür, vergewisserte mich, dass sie hinter mir eingerastet war, und schlenderte durch den Regen davon.
    Aus den vielen Filmen, die ich im Lauf der Jahre gesehen habe, weiß ich, dass Laufen im Regen den perfekten Hintergrund für das Brüten über die menschliche Niedertracht bildet, und so tat ich eben das. Oh, dieser verworfene MacGregor und sein Fotografenfreund. Diese abstoßenden Teufel. Das klang ungefähr richtig, und mehr fiel mir auch nicht ein; ich hoffte, es reichte, um der Form zu genügen. Ich fand es nämlich viel lustiger, über meine eigene Niedertracht nachzudenken und darüber, wie ich sie befriedigen konnte, indem ich eine Verabredung zum Spielen mit MacGregor arrangierte. Ich konnte eine aufsteigende Woge düsteren Entzückens spüren, die aus den tiefsten Kerkern der Festung Dexter emporbrandete und die Überlaufrinnen überspülte. Bald würde sie den armen MacGregor hinausschwemmen.
    Selbstverständlich bestanden nicht mehr die geringsten Zweifel. Harry persönlich würde die Fotografien als mehr als ausreichende Beweise anerkennen, und ein gieriges Kichern vom Dunklen Rücksitz segnete das Projekt ab. MacGregor und ich würden zusammen auf Forschungsreise gehen. Und dazu noch der besondere Bonus, seinen Freund mit den Cowboystiefeln ausfindig zu machen – er würde MacGregor selbstverständlich so rasch wie möglich folgen müssen; keine Ruhe den Ruchlosen. Es war wie ein Zwei-für-den-Preis-von-einem-Schnäppchen, absolut unwiderstehlich.
    In diese glücklichen Gedanken versunken, bemerkte ich den Regen kaum, während ich rasch und forsch zu meinem Wagen zurückkehrte. Ich hatte eine Menge zu erledigen.

[home]
    3
    E s ist nie eine gute Idee, einer Routine zu folgen, insbesondere dann nicht, wenn man ein mörderischer Pädophiler ist, der sich der Aufmerksamkeit von Dexter, dem Rächer, erfreut. Zu meinem Glück hatte man MacGregor diese lebenswichtige Information vorenthalten, und so war es ziemlich einfach für mich, mich um halb sieben Uhr abends an ihn zu hängen, als er wie jeden Tag um diese Zeit sein Büro verließ. Er trat aus der Hintertür, schloss ab und kletterte in seinen großen Geländewagen, einen Ford Maverick; der perfekte Untersatz, um Leute zu Hausbesichtigungen zu fahren oder verschnürte kleine Jungs zum Hafen zu transportieren. Er fädelte sich in den Verkehr ein, und ich folgte ihm zu seiner bescheidenen Betonhütte an der SW 80th Street.
    Vor seinem Haus herrschte ziemlich reger Verkehr. Ich bog in eine kleine Seitenstraße einen halben Block weiter ab und parkte unauffällig an einer Stelle, von der ich gute Sicht hatte. Am hinteren Ende von MacGregors Grundstück verlief eine hohe, dichte Hecke, die gewährleistete, dass die Nachbarn nichts von den Geschehnissen in seinem Garten bemerkten. Ich saß in meinem Auto und gab ungefähr zehn Minuten lang vor, eine Straßenkarte zu studieren, gerade lange genug, um einen Plan zu entwerfen und mich zu vergewissern, dass er nicht mehr ausgehen würde. Als er ohne Hemd und in zerknitterten Baumwollshorts aus dem Haus trat, um ein bisschen im Garten zu arbeiten, wusste ich, wie ich es anfangen würde; ich fuhr nach Hause, um alles vorzubereiten.
    Trotz der Tatsache, dass ich normalerweise über einen gesunden und herzhaften Appetit verfüge, fällt es mir vor einem meiner kleinen Abenteuer stets schwer, etwas zu essen. Während die Nacht sich über die Stadt senkt, bebt mein innerer Teilhaber in wachsender Erwartung, der Mond plappert lauter und lauter in meinen Adern, und der Gedanke an Nahrung scheint dann so außerordentlich gewöhnlich.
    Und so schritt ich, statt ein ausgedehntes, proteinreiches Abendessen zu genießen, in meiner Wohnung auf und ab, begierig anzufangen, aber kühl genug, um zu warten, bis Tages-Dexter ruhig in den Hintergrund trat, und die berauschende Woge der Macht zu spüren, als der Dunkle Passagier gemächlich das Steuer und die Instrumentenkontrolle
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