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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser
Autoren: Mary Jane Beaufrand
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glühenden Ascheteilchen vom Boden aufkehrte und zurück in die Feuerstelle fegte. Als Mitarbeiter der amerikanischen Forstbehörde hielt er stets die Augen offen nach unbeaufsichtigten Brandquellen.
    Als Dad heraufkam, hatte er zwei Flaschen Porter in der Hand, von denen er eine Ranger Dave reichte.
    »Was gibt’s, Alter?«, fragte er. »Was ist los?«
    Ich glaube, mein Vater hatte vorher noch nie einen coolen Freund gehabt, deshalb benahm er sich jetzt immer total peinlich, wenn Ranger Dave da war. Er nannte ihn ›Mann‹und ›Alter‹ und nahm sogar eine betont lässige Haltung ein. Ranger Dave war Mitte dreißig und hatte lange Haare wie jemand aus einer Grunge-Band, bei ihm war es also okay, wenn er zumindest so tat, als wäre er hip. Aber an Dad wirkte es einfach falsch. Er sollte sich lieber an seine neuen Stärken halten. Bäume fällen. Frühstücken wie ein Mann. Dörfer plündern.
    »Kristi hat mir den Laufpass gegeben«, erwiderte Ranger Dave, ohne meinen Vater anzusehen, ohne überhaupt jemanden anzusehen.
    »Oh.« Dad bemühte sich, ein ernstes Gesicht zu machen, und strich sich mit der Hand über den Bart, um sein Grinsen zu verbergen. Kristis Möpse waren größer als ihr IQ. Sie hatte Ranger Dave nicht verdient. Und ihn am Valentinstag zu versetzen? Das war eiskalt. Kälter als Gletscherwasser.
    Ranger Dave seufzte. »Und ich dachte, sie wäre vielleicht die Richtige.«
    »Im Ernst?«, warf ich ein. »Sie hört doch christliche Rockmusik. Findest du die nicht schrecklich? Ich dachte, du hast gesagt, christlicher Rock ist ein Widerspruch in sich.«
    »Ich fand es süß«, sagte er und schlug mit dem Schürhaken gegen ein brennendes Holzscheit.
    Dad verdrehte die Augen. »Das ist nicht süß, sondern erbärmlich. Selbst ich weiß das.«
    »Und erinnerst du dich, was du immer über Kristis Haare gesagt hast?«, stachelte ich weiter.
    Dad zwinkerte mir heimlich zu und formte stumm mit den Lippen das Wort
gut
.
    »Ich hab gesagt, mit den Unmengen Haarspray kann sie ein Loch in die Ozonschicht über ihrem Frisiertisch bohren«, gab Ranger Dave zu.
    Dad lächelte. Mit vereinten Kräften hatten wir ein Geständnis erzwungen. Ranger Daves Argumentation für ein gebrochenes Herz war soeben zu einem Häufchen Asche zerfallen. Nun konnten wir alle in Frieden weiterleben.
    Doch Ranger Dave ging es anscheinend nur noch schlechter. Er legte den Schürhaken aus der Hand und rührte nicht mal sein Bier an, lehnte sich bloß schlaff an den Kamin und seufzte, als wäre er fix und fertig.
    Und Dad? Der fasste unseren gescheiterten Aufmunterungsversuch als persönliche Niederlage auf. Er saß da, kraulte sich den Bart und zog kleine Hautschüppchen daraus hervor, die er zu Pillen drehte und auf den Teppich schnippte.
    »Na los, Mann«, sagte er schließlich behutsam, um Ranger Dave mit nach unten zu lotsen. »Du darfst mich beim Darten nassmachen.«
    »Lass gut sein, Paul. Mir ist jetzt nicht danach.«
    Nun war Dad wirklich beunruhigt. Ranger Dave war sonst immer für ein Spielchen zu haben.
    Zum Glück flog in diesem Augenblick die Küchentür auf und Mom kam herein. Ihre braunen Haare waren am Hinterkopf von einer Bananenspange zusammengehalten, und ihre weiße Kochjacke und schwarz-weiß karierte Hosesaßen so weit an ihrem schlanken Körper, dass sie aussah wie eine Hip-Hop-Köchin.
    In den Händen hielt sie ein mit einer aufwendig verzierten Leinenserviette zugedecktes Tablett, das sie Ranger Dave auf den Schoß setzte.
    Auf einmal waren wir von Leuten umringt. Unsere Abendgäste hörten auf zu knutschen; unser Bedienungs-personal, darunter Daisy und Wanda und nicht zu vergessen Tomás und Gretchen, meine einzigen Freunde am Ort, drängten herbei, angelockt von der Aussicht, etwas Spektakuläres mitzuerleben.
    Was würde Mom ihm servieren? Kardamombrot? Pizza Nordwest mit geräuchertem Lachs, gegrillter roter Paprika und Feta-Käse? Sachertorte, so schwer und reichhaltig, dass jeder Bissen wie eine große zartbittere Schrotkugel im Magen landete?
    Schwungvoll zog Mom die Serviette vom Tablett und zum Vorschein kamen eine Tüte Marshmallows, zwei Tafeln Schokolade und eine Schachtel Butterkekse. Sie spießte ein Marshmallow auf eine Fondue-Gabel und hielt sie Ranger Dave hin, als wäre er ein fünfjähriger Junge.
    »Bitte sehr«, sagte sie.
    Ich hielt den Atem an. Normalerweise konnte Mom einem mit geradezu unheimlicher Treffsicherheit ansehen, worauf man Appetit hatte, aber diesmal lag sie daneben. Wenn Ranger
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