Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
gesegneten Zeiten besaßen wir eine Kuh, die uns Milch gab, und es waren eigentlich immer Hühner und Gänse vorhanden, die uns mit Eiern und am Sonntag mit Fleisch versorgten. Die Schweine liefen frei herum, drängten sich nachts unter unserem Haus eng aneinander und hielten uns mit ihren Alpträumen wach. Vaters Jagdhunde hatten die Hütte zu ihrem Revier erkoren, aber wie alle Bergbewohner wußten wir, wie wichtig Hunde nun mal waren, wenn es um einen beständigen Nachschub von Fleisch und Geflügel ging.
    Was wir als unser Schlafzimmer bezeichneten, bestand aus einem großen Messingbett mit einer durchgelegenen, schmuddeligen Matratze. Wenn sich darauf etwas abspielte, quietschten und krachten die Federn. Jedes Geräusch hörte man peinlich laut und nahe; der Vorhang trug wenig dazu bei, irgendeinen Laut zu dämpfen.
    In der Stadt und in der Schule verhöhnte man uns als Gesindel und Lumpenpack, »Hillbillies« war noch die freundlichste Bezeichnung. Unter allen Bewohnern der Berghütten gab es keine einzige Familie, die so verachtet wurde wie unsere: die Casteels – der Abschaum der Gesellschaft. Wir waren schließlich auch eine Familie, von deren Söhnen fünf wegen kleinerer und größerer Straftaten im Gefängnis gesessen hatten. Kein Wunder, daß Großmutter nachts weinte und all ihre Erwartungen auf Luke Casteel setzte, in der Hoffnung, daß er eines schönen Tages der Welt beweisen würde, daß die Casteels nicht zum allerärgsten Lumpenpack gehörten.
    Also, ich habe gehört – obwohl ich es kaum glauben kann –, daß es tatsächlich Kinder gibt, die die Schule hassen. Tom und ich hingegen konnten es kaum erwarten, bis es endlich wieder Montag war und wir unserer beengten Hütte mit ihren zwei übelriechenden, engen Räumen und dem stinkenden Abort im Hof entkommen konnten.
    Unsere Schule war ein rotes Ziegelgebäude und stand im Herzen von Winnerrow, dem nächstgelegenen Dorf in einem Tal in den »Willies«. Täglich liefen wir die etwa zwanzig Kilometer zur Schule, so als wäre das gar keine Entfernung.
    Tom ging dann immer an meiner Seite, und Fanny zuckelte hinterher. Sie war bildhübsch und wütend auf die ganze Welt, weil ihre Familie so »stinkarm« war, wie sie es sehr treffend sagte.
    »Warum wohnen wir in keinem dieser hübsch bemalten Häuser, wie es die Leute in Winnerrow tun, wo sie auch richtige Badezimmer haben?« quengelte Fanny, die immer jammerte und sich über Dinge beklagte, die wir übrigen akzeptierten, um nicht ganz zu verzweifeln. »Könnt ihr euch das vorstellen? Mit ‘nem Badezimmer drinnen. Hab’ sogar gehört, daß einige Häuser zwei oder gar drei haben – jedes mit fließendem Wasser, heiß und kalt, könnt ihr euch das vorstellen?«
    Selten war ich einer Meinung mit Fanny, aber darin waren wir uns einig, daß es das Paradies auf Erden sein müßte, in einem geweißelten Haus mit vier oder fünf Zimmern mit Zentralheizung zu leben und nur an einem Hahn drehen zu müssen, um fließend heißes und kaltes Wasser zu bekommen –
    und über ein Wasserklosett verfügen zu können.
    Wenn ich nur an die Zentralheizung dachte, an die Ausgußbecken und das Wasserklosett, bemerkte ich erst, wie arm wir waren. Doch wollte ich nicht daran denken und ebensowenig in Selbstmitleid darüber verfallen, daß mir die ganze Sorge für Keith und Unsere-Jane aufgebürdet worden war.
    Als ich nämlich alt genug war und Großmutter schon zu gebrechlich, um mitzuhelfen – Fanny weigerte sich nämlich rundweg, irgend etwas zu tun, auch als sie schon drei, vier und fünf Jahre alt war –, brachte mir Sarah bei, wie man Babys wickelt, füttert und sie in einer kleinen Metallwanne badet.
    Sarah zeigte mir tausend Dinge. Mit acht Jahren konnte ich Brot backen, Schmalz in der Pfanne erhitzen und Mehl mit Wasser verrühren, bevor ich es mit dem heißen Fett vermischte. Sie lehrte mich Fenster putzen, Boden schrubben und wie man die schmutzige Wäsche auf dem Waschbrett sauber bekam. Auch Tom brachte sie bei, mir zu helfen, so gut es ging, auch wenn die anderen Jungen ihn als »Waschlappen«
    verspotteten, weil er »Frauenarbeit« tat. Er hätte sich gewiß mehr dagegen aufgelehnt, wenn er mich nicht so geliebt hätte.
    Wenn Vater die Nacht zu Hause verbrachte, war Sarah bei ihrer Arbeit munter wie ein Zeisig, sie summte vor sich hin und warf ihm verstohlene Blicke zu, als wäre er ein Verehrer und nicht ihr Ehemann. Der Handel mit dem illegalen Schnaps hatte ihn vollkommen ausgelaugt. Jederzeit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher