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Dunkle Tage

Dunkle Tage

Titel: Dunkle Tage
Autoren: Gunnar Kunz
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bereits früh ins Polizeipräsidium begab, war Barbara Broscheck vor ihm da. Gregor, der vergeblich versuchte, die Arbeiterin höflich hinauszukomplimentieren, bedeutete Hendrik, sich still in eine Ecke zu setzen.
    „Es hilft Ihrem Mann nicht, wenn Sie für ihn lügen, um ihm ein falsches Alibi zu verschaffen“, sagte er gerade. „Wir haben Blutspuren von Max Unger und Fasern vom Teppich des Arbeitszimmers unter seinen Schuhen gefunden. Außerdem gibt es Zeugen, die ihn in der Nähe des Tatorts gesehen haben.“
    Die Arbeiterin weinte. „Curt is’ ein guter Mann“, schluchzte sie. Und dann, nach einer Weile: „Es is’ doch alles nur aus Verzweiflung passiert!“
    Gregor rückte einen Stuhl heran, setzte sich rittlings darauf und reichte ihr ein Taschentuch. „Hat er Ihnen die Tat gestanden?“
    Sie schüttelte den Kopf.
    „Aber Sie glauben, dass er es war. Was bringt Sie auf den Gedanken?“
    „Er … er hat mich so komisch angekuckt, als Sie uns verhört ham. Und dann, weil er gelogen hat, dass wir zusamm’ war’n.“
    „Haben Sie ihn nie danach gefragt?“
    Wieder schüttelte sie den Kopf. Hendrik verstand sie. Es musste praktisch unmöglich sein, in ihrer Wohnung ein privates Wort miteinander zu wechseln, zumal mit einem Fremden als Dauergast.
    „Ich will aufrichtig zu Ihnen sein: Es sieht nicht gut aus für Ihren Mann. Andererseits haben wir keinen Beweis seiner Schuld. Sie nützen jedenfalls weder ihm noch sich, wenn Sie hier herumlungern.“ Gregor stand auf und legte ihr in einer väterlichen Geste die Hand auf die Schulter. „Gehen Sie nach Hause. Denken Sie an Ihren Sohn und Ihren Schwiegervater.“
    Wie eine Puppe erhob sich die Frau, stand eine Sekunde verloren im Büro und schlurfte wortlos hinaus.
    Sie liebt ihn noch, begriff Hendrik. Es mag im Alltag untergegangen sein, und ihre Lebensumstände sind sicher nicht dazu angetan, romantische Gefühle zu fördern, aber sie liebt ihn noch.
    Als die Tür ins Schloss gefallen war, sank Gregor erschöpft auf seinen Stuhl. „Die Frau kostet mich Nerven!“
    „Du hast Zeugen, die Curt Broscheck am Tatort gesehen haben?“
    „Eine kleine Lüge. Aber es besteht kein Zweifel, dass er da war. Simon hat die Teppichfasern identifiziert, von den Blutspuren mal ganz abgesehen.“ Er legte seine Hände zu einem Dreieck zusammen. „Es gibt noch einen weiteren Hinweis. Ein Nachbar der Ungers hat ausgesagt, dass er bei einem späten Spaziergang an jenem Abend genau so ein Rad gesehen hat wie das der Cremers. Es lehnte bei den Ungers am Gartenzaun. Der Mann wunderte sich, weil es so schäbig aussah und nicht dorthin zu gehören schien.“
    „Und Herr Broscheck?“
    „Ich habe ihn die halbe Nacht bearbeitet, aber er hat geschwiegen. Ich verstehe beim besten Willen nicht warum. Er macht nicht mal den Versuch, uns Lügen aufzutischen. Ich will ihn mir noch mal vornehmen, ehe ich ihn nach Moabit verfrachten lasse.“
    Hendrik machte es sich auf seinem Stuhl bequem. „Nur zu!“
    Gregor sah ihn an. „Na schön, meinetwegen!“
    Hendrik grinste in sich hinein. Sein Bruder würde es nie zugeben, aber in Wahrheit schätzte er seine Kommentare.
    Während Gregor hinausging, besorgte Hendrik ein Glas Wasser, um die Petersilie, den Borretsch und den Schnittlauch zu gießen. Vermutlich kam jeder Wiederbelebungsversuch zu spät, so wie die Gewürzkräuter aussahen. Sein Bruder hatte einfach keine Hand für Pflanzen. Die Hartnäckigkeit, mit der er es immer wieder versuchte, war zwar sympathisch, aber verschwendet.
    Hendrik schlenderte durch das Büro. An der Stirnseite des Raumes hing eine Karte von Berlin und Umgebung, eingeteilt in die sechs selbstständig arbeitenden Polizeibezirke. Hie und da steckte ein Fähnchen im Papier, vielleicht um den Schauplatz eines Verbrechens zu markieren. Das Polizeipräsidium war schwarz umrandet. Ansonsten gab es keinen freien Fleck, an dem nicht Aufnahmen des Unger’schen Arbeitszimmers hingen. Gregor hatte die Angewohnheit, sämtliche Wände mit Tatortfotos zu tapezieren, wenn er an einem Fall arbeitete. Es regt das Gehirn an, pflegte er zu sagen.
    Zum ersten Mal bekam Hendrik dadurch auch die Leiche zu sehen. Es war kein schöner Anblick. Max Unger lag auf dem Rücken in einem Meer von Blut, neben ihm verstreute Papiere und ein Tintenfass, das mit zu Boden gegangen war und schwarze Spritzer auf dem Teppich hinterlassen hatte.
    Weitere Fotos zeigten das Arbeitszimmer aus allen Winkeln, es gab Panoramaansichten und Nahaufnahmen.
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