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Dunkle Herzen

Dunkle Herzen

Titel: Dunkle Herzen
Autoren: Nora Roberts
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»In deinem Namen, Herr der Fliegen, nehmen wir, was wir begehren. In deinem Namen sprechen wir: Tod dem Schwachen, Sieg dem Starken. Laß unser Blut heiß durch die Adern fließen und unsere Ruten sich heben! Laß unsere Frauen für uns entbrennen und uns lustvoll empfangen!« Seine Hand glitt den Körper des Altars hinunter bis zu der Stelle zwischen den Schenkeln. Die gut geschulte Prostituierte begann zu stöhnen und sich unter seiner Hand zu winden.
    Mit schallender Stimme fuhr der Hohepriester fort, seine Forderungen zu stellen, stach dann mit der Spitze des Schwertes durch das Pergament und hielt es über die Flamme einer schwarzen Kerze, bis nichts davon übrigblieb außer einem leichten Brandgeruch.
    Auf ein Zeichen hin zerrten zwei der maskierten Gestalten einen jungen Ziegenbock, der vor Furcht mit den Augen rollte, in den Kreis. Der Gesang steigerte sich zu einem schrillen Crescendo. Athamas, das zeremonielle Messer,
dessen frisch geschliffene Klinge im Mondlicht glitzerte, wurde gezückt.
    Als die Klinge die Kehle des weißen Ziegenbocks durchtrennte, versuchte das Mädchen zu schreien, aber kein Laut kam über seine Lippen. Es wollte davonlaufen, doch seine Beine schienen bleischwer und fesselten es an den Boden. So barg es schluchzend das Gesicht in den Händen und wünschte, es könnte nach seinem Vater rufen.
    Als es endlich wieder hinzuschauen wagte, war der Boden blutgetränkt. Blut tropfte auch über den Rand einer flachen Silberschale. Die Stimmen der Männer verschwammen in seinem Kopf zu einem dröhnenden Summton, als es sah, wie der enthauptete Kadaver des Ziegenbocks ins Feuer geworfen wurde.
    Nun hing der übelkeiterregende Geruch verbrannten Fleisches in der Luft.
    Aufheulend riß sich der Mann mit der Bocksmaske seine Kutte vom Leib. Darunter war er nackt, und trotz der kühlen Nachtluft schimmerten feine Schweißperlen auf seiner schneeweißen Haut. Auf seiner Brust glitzerte ein silbernes Amulett mit fremdartigen eingravierten Symbolen.
    Er setzte sich rittlings auf den Altar und zwängte sich grob zwischen ihre Schenkel. Mit einem keuchenden Schrei warf sich ein zweiter Mann auf die andere Frau und riß sie zu Boden, während die übrigen ihre Kutten abwarfen, um nackt um die Feuerstelle zu tanzen.
    Das Mädchen sah, wie sein Vater, sein eigener Vater, die Hände in das Opferblut tauchte. Es tropfte von seinen Fingern, als er sich den Tanzenden anschloß …
     
    Clare erwachte von ihrem eigenen Schrei.
    Schweratmend und schweißüberströmt kuschelte sie sich enger unter die Bettdecke und tastete mit zitternden Fingern nach dem Schalter der Nachttischlampe. Da ihr das schwache Licht, das diese verbreitete, noch nicht ausreichte, stand sie auf und knipste weitere Lampen an, bis der kleine Raum hell erleuchtet war. Ihre Hände bebten noch
immer, als sie eine Zigarette aus der Packung zupfte und ein Streichholz daranhielt.
    Eine Weile blieb sie rauchend auf der Bettkante sitzen.
    Warum war der Traum gerade jetzt wiedergekommen?
    Ihr Therapeut würde behaupten, es handle sich um eine unbewußte Reaktion auf die erneute Heirat ihrer Mutter – Unterbewußtsein wertete das als Verrat an ihrem Vater.
    Unsinn!
    Ärgerlich stieß Clare den Rauch aus. Ihre Mutter war seit über zwölf Jahren Witwe. Jede geistig gesunde, liebevolle Tochter würde sich wünschen, daß die Mutter glücklich ist. Und sie war eine liebevolle Tochter. Nur was die geistige Gesundheit anging, da war sie nicht so sicher.
    Sie erinnerte sich noch gut an das erste Mal, als sie diesen Traum gehabt hatte. Sechs Jahre war sie alt gewesen und schreiend in ihrem Bett erwacht, genau wie heute. Doch dann kamen ihre Eltern ins Zimmer gestürzt, um sie zu beruhigen und zu trösten. Sogar ihr Bruder Blair kam mit weit aufgerissenen Augen und leise wimmernd hinterhergetapst. Die Mutter hatte ihn dann hinausgebracht, während der Vater bei ihr blieb, ihr mit seiner ruhigen, tiefen Stimme vorsang und ihr wieder und wieder versicherte, alles sei nur ein böser Traum gewesen, den sie bald vergessen würde.
    Was auch der Fall gewesen war, eine lange Zeit jedenfalls. Doch dann kehrte der Traum wie ein im Dunkel lauerndes Monster dann und wann zurück, gewöhnlich immer dann, wenn sie angespannt, erschöpft oder besonders verletzlich war.
    Clare drückte die Zigarette aus und preßte die Finger gegen die Augen. Im Moment stand sie allerdings unter Spannung. In weniger als einer Woche wurde ihre Ausstellung eröffnet, und obwohl sie
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