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Dunkle Herzen

Dunkle Herzen

Titel: Dunkle Herzen
Autoren: Nora Roberts
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nachzugrübeln. Aber auf diesem Knochenacker über modernde Gebeine hinwegzustapfen, das führte einem die Vergänglichkeit des Seins viel zu deutlich vor Augen.
    Der hohle Schrei einer Eule ließ Deputy Bud Hewitt, der neben Cam ging, zusammenzucken. Der Deputy grinste einfältig und räusperte sich.
    »Gruseliges Fleckchen, was, Sheriff?«
    Cam gab ein unverbindliches Grunzen von sich. Mit seinen
dreißig Jahren war er nur drei Jahre älter als Bud und in derselben Ecke der Dog Run Road aufgewachsen. Während seines letzten Jahres an der Emmitsboro High School war er drei wilde Monate lang mit dessen Schwester Sarah ausgegangen und hatte persönlich Buds erste Erfahrungen mit Alkohol überwacht. Doch er wußte, daß Bud es als seine Pflicht betrachtete, ihn mit ›Sheriff‹ zu titulieren.
    »Tagsüber ist’s ja nur halb so schlimm«, fuhr Bud fort. Er hatte ein unscheinbares, rosiges Kindergesicht und strohfarbenes Haar, das ihm stets wirr vom Kopf abstand, egal wie oft er es mit einem nassen Kamm zu bändigen suchte. »Aber nachts denkt man unwillkürlich an all diese Vampirfilme.«
    »Hier gibt es keine Untoten, sondern schlicht und einfach nur Dahingeschiedene.«
    »Ja, ja.« Trotzdem wünschte Bud, er hätte Silberkugeln statt der üblichen Munition in seinem Dienstrevolver.
    »Da drüben ist es, Sheriff.«
    Die beiden Teenager, die sich ausgerechnet den Friedhof als Liebestreff auserkoren hatten, wiesen ihm den Weg. Sie waren vollkommen verstört gewesen, als sie zu ihm gerannt kamen und an seine Tür hämmerten, doch nun schienen sie die Aufregung zu genießen.
    »Genau hier.« Der siebzehnjährige Junge in der verschossenen Jeansjacke deutete mit dem Finger auf die Stelle. Im linken Ohr trug er einen kleinen goldenen Ohrstekker, was in einer Stadt wie Emmitsboro entweder ein Zeichen von Mut oder von Dummheit war. Das Mädchen an seiner Seite, ein schnuckeliger Cheerleadertyp, schüttelte sich leicht. Beiden war klar, daß sie am kommenden Montag die Stars der Emmitsboro High sein würden.
    Cam richtete den Strahl seiner Taschenlampe auf den umgeworfenen Grabstein, der besagte, daß hier John Robert Hardy ruhte; ein Kleinkind, das nur ein kurzes Jahr gelebt hatte und seit über hundert Jahren hier lag. Neben dem umgestürzten Grabstein gähnte ein dunkles, leeres Loch.
    »Sehen Sie? Genau, wie wir gesagt haben.« Der Junge
schluckte vernehmlich. Im schummrigen Licht schimmerten seine Augäpfel weiß. »Jemand hat das Grab geöffnet.«
    »Das sehe ich selber, Josh.« Cam bückte sich und leuchtete direkt in das Loch. Außer Erde und einem modrigen Geruch war nichts da.
    »Glauben Sie, daß es Grabräuber waren, Sheriff?« Joshs Stimme klang aufgeregt. Er schämte sich, daß er hakenschlagend wie ein Hase geflüchtet war, nachdem Sally und er beinahe in das offene Grab gekugelt wären, als sie sich engumschlungen auf dem Rasen wälzten. Lieber erinnerte er sich daran, wie seine Hand unter ihr T-Shirt geglitten war. Und damit sie das auch nicht vergaß, gab er sich nun betont männlich. »Ich habe gelesen, daß sie Gräber ausheben, um nach Schmuck und Leichenteilen zu suchen. Die verkaufen sie dann zu Forschungszwecken und so.«
    »Ich glaube nicht, daß sie hier viel gefunden haben.« Cam richtete sich auf. Obwohl er sich als einen vernünftigen Menschen betrachtete, war es ihm beim Blick in das klaffende Grab kalt den Rücken heruntergelaufen. »Du bringst Sally jetzt am besten nach Hause. Wir kümmern uns um die Angelegenheit.«
    Sally sah ihn aus großen Augen an. Insgeheim schwärmte sie für Sheriff Rafferty. Einmal hatte sie gehört, wie sich ihre Mutter mit einer Nachbarin über dessen wilde Teenagerjahre in Emmitsboro unterhielt, als er eine Lederjacke getragen, ein Motorrad gefahren und im Streit um ein Mädchen Clydes Taverne kurz und klein geschlagen hatte.
    Das Motorrad besaß er immer noch, und er wirkte auf sie, als könne er es auch heute noch ziemlich wüst treiben, wenn er wollte. Cam war groß, drahtig und kräftig und trug keine langweilige Khakiuniform wie Bud Hewitt, sondern enge Jeans und ein Baumwollhemd mit hochgekrempelten Ärmeln. Das schwarze Haar fiel in Locken über seine Ohren bis auf den Hemdkragen, und gerade jetzt fiel das Mondlicht auf sein schmales Gesicht und betonte seine hohen Wangenknochen. Ihr siebzehnjähriges Herz hüpfte. Nach Sallys Meinung hatte er unwahrscheinlich sexy wirkende blaue Augen – dunkel, geheimnisvoll und unergründlich.
    »Werden Sie das FBI
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