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Dunkle Herzen

Dunkle Herzen

Titel: Dunkle Herzen
Autoren: Nora Roberts
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Doppers ältester Sohn Junior die Schule geschwänzt und war mit einer Flinte über der Schulter in den Wald marschiert, wo er einen kapitalen Sechsender zu erlegen hoffte.
    Am nächsten Morgen hatte man ihn am schlüpfrigen Ufer des Flüßchens gefunden, mit halb weggeblasenem Schädel. Es sah so aus, als hätte Junior die elementaren Vorsichtsmaßnahmen mißachtet, sei auf dem glitschigen Boden ausgerutscht und habe an Stelle des Hirsches sich selbst in die Ewigen Jagdgründe befördert.
    Seitdem war es bei den Kindern des Ortes ein beliebter Sport, sich am Lagerfeuer gegenseitig mit Geschichten von Junior Doppers kopflosem Geist, der auf ewig in Dopper’s Woods jagte, zu erschrecken.
    Der Antietam Creek verlief quer durch die südliche Weide der Doppers, floß durch den Wald, in dem Junior sich selbst das Lebenslicht ausgeblasen hatte, und schlängelte sich in die Stadt hinein. Nach ausgiebigen Regenfällen plätscherte er geräuschvoll unter der Brücke Gopper Hole Lane hindurch.
    Etwa eine halbe Meile außerhalb der Stadt wurde er breiter und wand sich zwischen Felsen und Bäumen hindurch. Dort floß das Wasser träge dahin, und die Sonnenstrahlen, die durch die Baumkronen fielen, malten tanzende Kringel auf die Oberfläche. Hier konnte ein Mann sich einen bequemen Stein suchen, um seine Angel auszuwerfen, und wenn er nicht gerade zu betrunken oder zu ungeschickt
war, brachte er zum Abendessen eine frische Forelle mit nach Hause.
    Jenseits des Angelplatzes ragten zerklüftete Felsen steil empor. Dort gab es einen Kalksteinbruch, in dem sich Cam zwei Sommer lang abgeschuftet hatte. In warmen Nächten kamen gewöhnlich die Jugendlichen hierher, konsumierten Bier oder Pot und sprangen dann von den Felsen in das tiefe, unbewegliche Wasser. Nachdem 1987 drei Kids ertrunken waren, hatte man das Gelände eingezäunt und Warnschilder aufgestellt. Die Jugendlichen kamen in warmen Sommernächten aber immer noch in den Steinbruch, nur kletterten sie jetzt zuerst über den Zaun.
    Emmitsboro lag zu weit abseits der Interstate, um ein hohes Verkehrsaufkommen zu haben, und da man nach Washington, D.C., mit dem Auto zwei Stunden unterwegs war, bestand auch nicht die Gefahr, daß sich Scharen von Pendlern hier niederließen. Veränderungen gab es nur selten in Emmitsboro – was den Einwohnern nur recht war.
    Das Städtchen nannte eine Eisenwarenhandlung, vier Kirchen, eine Vertretung der American Legion, des amerikanischen Frontkämpferverbandes, und eine Reihe von Antiquitätenläden sein eigen. Ferner gab es einen Supermarkt, der seit vier Generationen von ein und derselben Familie betrieben wurde, und eine Tankstelle, die häufiger den Pächter gewechselt hatte, als Cam zählen konnte. Die Zweigstelle der Kreisbücherei war zweimal wöchentlich nachmittags und samstagmorgens geöffnet. Emmitsboro hatte einen eigenen Sheriff, zwei Deputys, einen Bürgermeister und einen Gemeinderat.
    Im Sommer standen die Bäume in dichtem Laub, und wenn man sich in ihrem Schatten ausstreckte, roch man frisch gemähtes Gras anstelle von Abgasen. Die Menschen waren stolz auf ihr gepflegtes Heim, und sogar in den kleinsten Vorgärten blühten Blumen und wuchsen Küchenkräuter.
    Wenn der Herbst kam, explodierten die umliegenden Bäume in einem Farbenmeer, und der Geruch nach Kartoffelfeuern und nassem Laub zog durch die Straßen.
    Im Winter glich die tief verschneite Stadt mit ihrer prächtigen Weihnachtsbeleuchtung einer Postkartenidylle und erinnerte an eine Szene aus Ist das Leben nicht schön?
    Als Cop schob man hier eine ruhige Kugel. Gelegentliche Fälle von Sachbeschädigung – Jugendliche, die Fenster beschmierten oder einwarfen –, Verkehrsverstöße, die üblichen Schlägereien zwischen Betrunkenen und häusliche Dispute. In den Jahren seit seiner Rückkehr hatte Cam es einmal mit schwerer Körperverletzung, einigen Kleindiebstählen, grobem Unfug, gelegentlichen Kneipenprügeleien und einer Handvoll Rauschgiftdelikten zu tun gehabt.
    In Washington, D.C., wo er über sieben Jahre lang als Cop tätig gewesen war, hätte ihn all das zusammen eine einzige Nacht lang beschäftigt.
    Als er sich entschloß, sich von D.C. nach Emmitsboro versetzen zu lassen, hatten ihm seine Kollegen prophezeit, daß er nach spätestens sechs Monaten reumütig und halbtot vor Langeweile zurückkehren würde. Er stand in dem Ruf, der geborene Streifenpolizist zu sein, mal gelassen, mal aufbrausend, daran gewöhnt, sich mit Junkies und Dealern
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