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Dunkle Ernte

Dunkle Ernte

Titel: Dunkle Ernte
Autoren: Simon Mockler
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und tippte einen Code in ein Tastenfeld. Ungeduldig wie ein Kind vor einem Spielzeugladen wartete er darauf, dass die Tür sich öffnete.
    »Mein Warenlager«, erklärte er stolz und deutete auf Regalreihen voller hochglanzpolierter Hightech-Waffen vor mit Samt bezogenen Wänden.
    Mit versteinerten Mienen saßen Außendienstagent Michaels und sein Team in dem Westland-Lynx-Hubschrauber. Der Lärm der Rotoren machte jede Unterhaltung unmöglich. Dass sie sich nicht hatten vorbereiten können, bereitete ihm Sorge. Sir Clive hatte ihm zwar versichert, dass sie es mit einem Amateur zu tun hätten, aber er hätte sich trotzdem gerne vorher mit der Geografie des Einsatzortes vertraut gemacht. Er kannte Paris nicht besonders gut. Stadt-und Baupläne konnten eine Besichtigung vor Ort nicht ersetzen. Sir Clive hatte sie angewiesen, Messer zu benutzen, statt den jungen Mann oder dessen Freundin zu erschießen, damit es wie ein missglückter Raubüberfall aussah – wie die Tat eines Kleinkriminellen, der in Panik zugestoßen und versehentlich die Halsschlagader erwischt hatte, und nicht wie ein geplanter Mord.
    Michaels mochte Messer nicht. Sie machten zu viel Sauerei. Außerdem musste man zu nahe an das Ziel heran. Zwei vom Team würden den jungen Mann festhalten müssen, damit er zustechen konnte. Eine Walther P99 mit Schalldämpfer wäre ihm lieber gewesen.
    Er betrachtete den Plan des Friedhofs. Die Gegend darum herum war ziemlich heruntergekommen. Tagsüber kamen zahlreiche Touristen hierher, doch nachts lag er verlassen da. Sir Clives Auftrag bestand darin, zwei britische Staatsbürger auf französischem Boden zu töten, da durfte man sich keine Fehler erlauben.
    »Was denken Sie?«, fragte Sir Clive und hob die Stimme, um das Flappen der Rotoren zu übertönen.
    Michaels zuckte mit den Schultern. »Je früher wir an Ort und Stelle sind, desto besser«, rief er zurück. »Ich will die Männer in aller Ruhe in Stellung bringen.«

86
    Boulevard de Ménilmontant, Paris, 18:00 Uhr
    Jack wagte einen vorsichtigen Blick über den Boulevard. Er saß in einem Mietwagen mit freiem Blick auf die Straße, neben sich auf dem Beifahrersitz leere Sandwich-Verpackungen und Chipstüten. Der erste Teil des Plans lautete: Positioniere dich so, dass du gut zu sehen bist. Wenn sie dich sehen können, denken sie, sie haben alles unter Kontrolle, und passen nicht mehr so gut auf.
    Auf der Straße herrschte Betrieb; selbst zu dieser Tageszeit warteten noch in einer langen Schlange Touristen vor dem Friedhof. In der Boulangerie an der Ecke gingen beständig Einheimische ein und aus, auf dem Weg nach draußen stets mit Baguettes unter dem Arm. Das muss ein richtig guter Bäcker sein, dachte Jack hungrig und wünschte sich, er hätte keine anderen Sorgen, als an Brot für das Abendessen denken zu müssen.
    Er sah auf den Busfahrplan, den er auf seinem Schoß ausgebreitet hatte. Der Dreiundvierziger sollte um Dreiviertel kommen, so wie jede Stunde. Bislang war er immer relativ pünktlich gewesen. Hoffentlich war er heute Abend auch rechtzeitig da, denn er würde Jack die notwendige Tarnung bieten. Bis es so weit war, würde er im Wagen sitzen bleiben, ab und zu aussteigen und die Straße hinauf-und hinunterblicken, ganz wie ein Amateurspion. Er hatte sich ein Käppi und eine Kapuzenjacke gekauft, den Bart abrasiert und das Haar dunkelbraun gefärbt – ein demonstrativer Versuch, sich zu verkleiden, mit Sachen, die ganz offenkundig dazu dienen sollten, seine Identität zu verschleiern. Alles Teil des Plans.
    Jack behielt die Straße im Auge und achtete auf alles, was irgendwie ungewöhnlich war – zum Beispiel Gäste, die viel zu lange vor ihrer leeren Kaffeetasse sitzen blieben und sich auffällig für den Inhalt ihrer Zeitung zu interessieren schienen.
    Er war ziemlich sicher, dass er zwei seiner Verfolger bereits ausgemacht hatte. Einer saß in einem Auto in einer Seitenstraße, die direkten Blick auf die Telefonzelle bot. Jack hatte ihn zum Café gehen sehen. Ein jungenhaft wirkender Typ in Jeans, der hinter dem Steuer saß und simste. Als Jack eine geschlagene Stunde später ins Café ging, simste er immer noch.
    »Siehst du noch andere?« Amandas Stimme kam aus dem Fußraum der Beifahrerseite, wo sie sich unter einer Decke zusammengerollt hatte.
    Jack legte die Hand auf den Mund, ehe er antwortete. Niemand sollte ahnen, dass sich noch jemand im Wagen befand. Jemand, der die gleichen Sachen trug wie er und die Kapuze genau wie er tief ins
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