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Dunkelziffer

Dunkelziffer

Titel: Dunkelziffer
Autoren: Arne Dahl
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Jugendliche und hoffnungslose Fälle unter den Erwachsenen an den unwichtigen Positionen, die Zuverlässigen an den wichtigen. (Ich meine zum Beispiel, wie heißt sie, Lisa, die Mutter von Felicia, es ist schwer vorstellbar, dass überhaupt ein Kind in ihr heranwachsen konnte. Als gäbe es die geringste Spur von Biologie in dem Körper.) Nun gut, ich organisierte es auf jeden Fall so, dass Nils, der Vater von Anton, ins Dorf ging und dort nachforschte, Sven-Olof, der Vater von Gina, musste den westlichen Teil des Waldes übernehmen und Reine, Albin und Alvins Vater, den südlichen, während die zuverlässigsten Jungen, unter der Führung meines Sohns Daniel, den nördlichen Teil übernahmen. Ich selbst habe die Landstraße unter die Lupe genommen, die Reichsstraße 90, und konnte so als mobiler Koordinierungspunkt dienen. Leider musste ich die arme Alma mitschleppen, die nicht zu den selbstständigsten Wesen gehört, weshalb mein Tempo auf ein kümmerliches Niveau gesenkt wurde. Jedenfalls muss ich gestehen, dass meine Beobachtungen sich auf drei vorbeifahrende Autos beschränkten, einen luxuriösen silberfarbenen Volvo S60, einen alten dunkelblauen Opel Astra und einen ziemlich neuen rot-metallicfarbenen Volkswagen Passat, ich bin sicher, dass es ein 1 .8T war. Alle Autos hatten schwedische Nummernschilder und fuhren in südliche Richtung. Ich habe mir alle Details dieser Wagen notiert. Hier bitte. Als ich später die Ergebnisse der Suche zusammenfassen wollte, musste ich ganz einfach akzeptieren, dass Emily spurlos verschwunden war. Ich hoffe wirklich, dass ich nicht auch noch Kontakt zu ihrer Mutter aufnehmen soll. Ich kann ja nicht alles selbst machen.
    Scheiße, war das eine Quälerei durch den Wald. Was glaubten die denn, was wir finden würden? Emily, die hinter einer Tanne sitzt und plärrt? Oder in den Händen eines Pädophilenarschs mit bluttriefender Motorsäge? Und was, verdammt noch mal, hätte es genutzt, uns zu zweit loszuschicken - zwei Vierzehnjährige gegen einen irren Pädophilenarsch. Marcus hat uns in den Tod geschickt, hat an nichts anderes als an seine, wie heißt es, Autorität gedacht. Es war wirklich ein Scheißjob, sich durch den Wald zu quälen. Ich bin ganz sicher, dass ich und Mara den beschissensten Teil im ganzen Wald hatten, man kam keinen Meter voran, ohne sich überall Verletzungen zu holen. Scheiße, hab ich mir das Gesicht zerkratzt, sehen Sie mal hier, die Schramme. Nein, hier, auf der Stirn. Marcus hat wie immer auf die Mädchen gepfiffen, als er seine »Richtlinien« ausgab - ich weiß nicht, ob sich überhaupt jemand darum gekümmert hat -, also haben wir mit Astrid geredet, ja, unserer Lehrerin, und sie suchte eine Richtung heraus, in die noch niemand gegangen war, und sagte, sie würde ganz in der Nähe bleiben, wir brauchten also nur zu rufen, falls irgendwas wäre. Ja, die ist echt in Ordnung. Mara hatte ihren kleinen Taschenkompass mit, und wir zogen genau nach Westen, mitten durchs Dornengestrüpp. Dann kamen natürlich Anki und Lovisa und haben sich an uns rangehängt. Was dann auf dem Weg zum Fluss passierte? Nichts Besonderes, glaub ich. Wir sahen Astrid ein paar Mal von Weitem, und dann sah ich Anton, Jonatan und Sebastian ein Stück, was ist das, ja, nördlich von uns, ich erkannte Sebastians bescheuerten militärgrünen Fleecepulli. Dann kamen wir runter zum Fluss. Der rauscht und tobt mit einer Wahnsinnsströmung, da kommt keiner rüber. Aber ich glaube nicht, dass sie sich ertränkt hat, Scheiße, niemals, aber man weiß ja nie, was Emily sich einfallen lässt, sie ist ziemlich, na ja, schwierig. Doch, wir sind schon Kumpel, aber das heißt nicht, dass ich checke, was sie macht. Anki sagt, dass sie sie um zehn vor eins gesehen hat, oben in ihrem Zimmer, und als wir uns sammeln sollten fürs Vorlesen, war es wohl so zehn nach eins, da war sie weg. Sie war nirgends zu finden. Glauben Sie wirklich, dass sie tot ist?
    Ich bin seit einem Jahr ihre Klassenlehrerin, ja, die ganze Siebente, und natürlich frage ich mich manchmal, was für ein Leben ich führe. Wenn die Jungen auf den Bänken toben und die Mädchen mit ihren schrillen Stimmen schreien, als wollten sie testen, wie gut sie tragen, kann ich mich ans Lehrerpult setzen und im Vorlesebuch lesen und versuchen, mich daran zu erinnern, was mich eigentlich dazu getrieben hat, Lehrerin zu werden. Schwedisch und Englisch, ja klar, aber in erster Linie war es doch der Wunsch, etwas zu vermitteln, auch dass Wissen
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