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Dunkelerde: Gesamtausgabe

Dunkelerde: Gesamtausgabe

Titel: Dunkelerde: Gesamtausgabe
Autoren: Alfred Bekker
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Ausgestoßene trafen sich hier, Sonderlinge, Propheten verschrobener Kulte und Gelehrte, deren Lehren andernorts als Ketzerei galten.
    Wie ein Schatten wirkte der Kuttenmann.
    Das Licht des fahlen Mondes drang nicht in das Dunkel, das seine Kapuze erfüllte.
    Von seinem Gesicht war nichts zu sehen.
    Eiligen Schrittes und fast lautlos ging er durch die engen, finsteren Gassen.
    Lärm, Musik und zänkisches Stimmengewirr drang aus den vereinzelten Schänken.
    Hier und da wurde eine Tür oder ein Fenster geöffnet und für kurze Augenblicke drang etwas Licht in die Finsternis der Straßen Schi-Scho-Lahs.
    Die Schritte des Kuttenträgers waren schnell und zielstrebig. Er schien sehr genau zu wissen, wo sein Ziel lag.
    Die sich nähernden kehligen Stimmen einiger Männer ließen ihn aufhorchen, als er in eine weitere Gasse bog.
    Drei lärmende Männer kamen ihm entgegen, die offenbar schon einiges getrunken hatten. Seeleute irgendeines Piratenschiffs.
    Der Kuttenträger verbarg sich im Schatten einer Türnische und ließ die drei vorbeiziehen. Sie waren zu betrunken, um ihn zu bemerken.
    Dann setzte er seinen Weg fort.
    Vor der hölzernen Tür eines zweigeschossigen Hauses blieb er stehen. Er benutzte den Schlagring, um anzuklopfen.
    Zunächst erfolgte keinerlei Reaktion. Erst nach dem zweiten Versuch öffnete ein alter, gebeugter Mann mit wirren weißen Haaren und einem dünnen Bart.
    „Wer seid Ihr?”, fragte der Alte.
    „Einer, der mit dem Gelehrten Konscholl-Veris zu sprechen wünscht!”, war die Antwort des Kuttenträgers. Er sprach leise und mit tiefer, etwas rauer Stimme. Es klang beinahe wie ein düsteres Flüstern. Er sprach zwar das Valuremisch, das aus der einstigen Geheimsprache der Alchimisten hervor gegangen war, aber mit einem eigentümlichen Akzent, der keinen Zweifel daran ließ, dass er aus einem anderen Teil Dunkelerdes stammen musste.
    Der Alte runzelte die Stirn.
    „Ich bin Konscholl-Veris”, erklärte er.
    „So lass mich eintreten. Ich habe mit Euch über eine Schriftrolle zu reden, die sich gegenwärtig in Eurem Besitz befindet, Konscholl-Veris.”
    „Ich weiß nicht, wovon Ihr redet!”, erwiderte der Gelehrte.
    Eigentlich widerstrebte es ihm ganz offensichtlich, diesen Fremden hereinzulassen.
    Aber der Kuttenmann setzte einfach einen Fuß nach vorn. Zwei Schritte und er stand in dem spärlich beleuchteten Haus. Kerzenlicht flackerte in der Zugluft. Mit dem Absatz gab der Kuttenträger der Tür einen Stoß, sodass sie ins Schloss fiel.
    Konscholl-Veris wich zurück.
    Der Kuttenträger schob den Riegel vor die Tür.
    „Es ist viel Gesindel in der Stadt”, erklärte er dazu.
    „Jetzt sagt mir, was Ihr wollt, Fremder!”, forderte Konscholl-Veris unmissverständlich.
    Aber ein angstvolles Zittern schwang in seiner Stimme mit. Sie hatte einen leicht vibrierenden Klang, drohte sich zu überschlagen. Der Gelehrte schluckte.
    Der Kuttenträger legte seine Kapuze zurück. Das hagere Gesicht eines grauhaarigen, bärtigen Mannes wurde sichtbar. Der Teint war dunkel. Und der Blick der dunklen, beinahe schwarzen Augen hatte eine geradezu hypnotische Intensität, die Konscholl-Veris unwillkürlich erschauern ließ.
    Nie zuvor war ihm ein vergleichbarer Blick begegnet.
    „Verzeiht meine Unhöflichkeit”, sagte der Kuttenträger schließlich nach einer längeren Pause des Schweigens. „Mein Name ist Barasch-Dorm. Und genau wie Ihr habe ich Jahre meines Lebens dem Studium der Alchimie, der Magie und der alten Schriften gewidmet.”
    „Ich habe Euren Namen noch nie zuvor gehört”, meinte Konscholl-Veris stirnrunzelnd.
    Ein dünnes Lächeln spielte um Barasch-Dorms Lippen.
    „Das ist gut möglich”, sagte er und hob dabei die Schultern. „Ich bin hier, um mit Euch über eine Schrift zu sprechen, die über verschlungene Pfade in Euren Besitz gelangt ist...”
    „Oh, das gilt gewiss für viele Schriften, die ich in meiner Privatbibliothek im Laufe vieler Jahrzehnte gesammelt habe!”, erwiderte Konscholl-Veris.
    „Ich spreche von der Rolle der geheimen Worte...”
    Konscholl-Veris schluckte. Er öffnete halb den Mund, so als wollte er etwas erwidern. Aber kein einziges Wort kam über seine Lippen.
    „Ich bin nicht im Besitz dieser Rolle!”, behauptete er schließlich und wich noch ein paar Schritte weiter vor dem Fremden, der sich Barasch-Dorm genannt hatte, zurück.
    Dessen Stimme bekam jetzt einen bedrohlichen Unterton.
    „Jahre schon jage ich dieser Schrift hinterher, habe jede Station
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