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Dunkel ueber Longmont

Dunkel ueber Longmont

Titel: Dunkel ueber Longmont
Autoren: David Farland
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genau sagen, wer die Frau war, aller Anmut beraubt, ihre Haut so rauh wie Leder.
    Nicht wiederzuerkennen.
    Ich bin nicht der Tod, redete sich Borenson ein, obwohl er wußte, diesen beiden würde er den Tod bringen müssen. Ihm wurde schlecht bei dem Gedanken.
    Ich habe an der Tafel des Königs gespeist, redete Borenson sich ein und mußte dabei an die vergangenen Jahre denken, als Orden das Hostenfest zusammen mit Sylvarresta gefeiert hatte. Stets hatte es am Tisch kräftig nach gebratenem Schwein, jungem Wein und Pastinaken geduftet – nach frischem Brot mit Honig und Orangen aus Mystarria.
    Sylvarresta zeigte sich stets großzügig mit seinem Wein und ungezwungen in seinen Späßen.
    Hätte Borenson den König rangmäßig nicht als viel zu weit über ihm stehend betrachtet, er hätte ihn als »Freund«
    bezeichnet.
    Auf der Insel Thwynn, wo Borenson geboren war, standen die Regeln der Gastfreundschaft fest: jemanden zu berauben oder umzubringen, der einem zu essen gab, galt als heimtückisch. Wer so etwas tat, dem wurde bei seiner Hinrichtung keinerlei Gnade gewährt. Einmal hatte Borenson gesehen, wie ein Mann fast gesteinigt worden wäre, nur weil er seinen Gastgeber beleidigt hatte.
    Borenson war in der Hoffnung hergeritten, die Befehle seines Lords nicht ausführen zu müssen, da der Bergfried der Übereigner zu gut bewacht sein und er keine Chance haben würde, sich dort Zutritt zu verschaffen. Er hatte geglaubt, König Sylvarresta würde sich weigern, Raj Ahten eine Gabe abzutreten.
    Iome. Jetzt erkannte Borenson die Prinzessin – nicht an ihren Gesichtszügen, sondern an ihrem zarten Körperbau. Er erinnerte sich an einen Abend vor sieben Jahren, als es spät geworden war und er im Bergfried des Königs mit einem Becher Glühwein vor einem prasselnden Feuer gesessen hatte, während Orden und Sylvarresta sich gegenseitig Anekdoten von längst vergangenen Jagdpartien erzählt hatten. Damals war die junge Iome vom lauten Lachen unter ihrem Zimmer aufgewacht und heruntergekommen, um zuzuhören.
    Zu Borensons Überraschung hatte die Prinzessin das Zimmer betreten und sich ihm auf den Schoß gesetzt, wo sie die Füße ans Feuer halten konnte. Sie hatte sich weder den Schoß des Königs ausgesucht noch den eines Mannes aus des Königs Garde. Ihn hatte sie sich ausgesucht, einfach vor dem Feuer gesessen und verträumt in seinen roten Bart geschaut.
    Sogar als Kind war sie schon wunderschön gewesen, und er hatte geglaubt, sie beschützen zu müssen, und sich vorgestellt, eines Tages selbst eine so wundervolle Tochter zu haben.
    Jetzt lächelte Borenson Gaborn zu und versuchte, seine Wut, seinen Selbsthaß angesichts der Pflicht, die er zu erledigen hatte, zu unterdrücken.
    Das Schlachtroß des toten Feindes war den Hang hinuntergelaufen, stand jetzt mit gespitzten Ohren da und verfolgte ruhig das Geschehen. Iome ritt zu ihm hin, sprach leise ein paar Worte und nahm seine Zügel. Das Schlachtroß wollte nach ihr schnappen. Iome versetzte ihm einen Schlag auf das gepanzerte Gesicht und gab ihm so zu verstehen, wer das Sagen hatte. Sie brachte das Pferd zu Borenson.
    Steif hockte sie im Sattel, als sie sich näherte. Ihre gelb gewordenen Augen waren voller Angst. Sie sagte: »Hier, Sir Borenson.«
    Borenson griff nicht sofort nach den Zügeln. Als sie sich vorbeugte, war sie in seiner Reichweite. Er hätte ihr mit seiner gepanzerten Faust ins Gesicht schlagen, ihr das Genick brechen können, ohne eine Waffe ziehen zu müssen. Doch da stand sie nun, bot ihm ihre Hilfe an, war wieder seine Gastgeberin. Er richtete sich auf, unfähig, zuzuschlagen.
    »Als Ihr Raj Ahten heute aus Burg Sylvarresta gelockt habt«, sagte sie, »habt Ihr meinem Volk einen großen Dienst erwiesen.«
    In Borenson keimte eine vage Hoffnung. Es schien denkbar, daß sie Raj Ahten nicht als Vektor diente, daß sie ihm nur eine Gabe abgetreten hatte und daher keine größere Gefahr für König Orden darstellte. Damit hätte er einen Vorwand, sie zu verschonen.
    Klopfenden Herzens nahm er die Zügel des Pferdes. Der Hengst wehrte sich nicht, scheute nicht vor der fremden Rüstung. Er wedelte mit seinem geflochtenen Schweif und vertrieb die Fliegen.
    »Danke, Prinzessin«, sagte Borenson schweren Herzens.
    Er wollte sagen: Ich habe Befehl, Euch zu töten. Ich wünschte, ich wäre Euch nie begegnet. Allerdings mußte er sich über Gaborns Plan wundern. Vielleicht hatte der Prinz einen Grund dafür, daß er den König und Iome herausgeschafft hatte,
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