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Dunkel ueber Longmont

Dunkel ueber Longmont

Titel: Dunkel ueber Longmont
Autoren: David Farland
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das Kettenhemd und den Wappenrock an – alles war ihm ein wenig zu groß. Neben Torins Hand lag ein kleiner Schild – eine Zielscheibe aus Holz, mit einer dünnen Messingschicht beschlagen, später dunkelblau angemalt. Der untere Rand des Schildes war scharf geschliffen und konnte einem Mann wie ein Messer die Kehle
    durchtrennen,
    wenn
    man
    damit
    zuschlug.
    Normalerweise trug nur ein Mann mit einer Gabe des Stoffwechsels einen so kleinen Schild. Schnell geführt, diente er zugleich als Waffe. Er nahm den Schild an sich.
    »Was ist mit Raj Ahten?« fragte Borenson. »Ich sehe, daß er marschbereit ist, aber wird er nach Longmot ziehen?«
    Gaborn sagte: »Wie Vater gehofft hat, wird er noch in dieser Stunde losmarschieren.«
    Borenson nickte. Die Sonne schien ihm in die blauen Augen, und er lächelte. Es war kein Lächeln der Erleichterung.
    Sondern ein gezwungenes, sein Kampflächeln. »Verratet mir«, meinte Borenson halb flüsternd, »wohin bringt Ihr sie?« Er deutet mit einem Nicken auf Iome und ihren schwachsinnigen Vater.
    »Nach Longmot. Ich habe mir die besten Pferde aus dem Stall des Königs genommen. Wir können die Burg bis Einbruch der Nacht erreichen.«
    Vielleicht – wenn Eure Schutzbefohlenen reiten könnten, wollte Borenson sagen. Er befeuchtete sich die Lippen und sagte leise: »Der Weg ist weit und beschwerlich. Vielleicht laßt Ihr Sylvarresta besser hier, mein Lord.« Er tat, als sei dies ein gutgemeinter Vorschlag, und versuchte, den harten Unterton in seiner Stimme zu unterdrücken.
    »Nach all der Mühe, die es mich gekostet hat, sie Raj Ahten abzunehmen?« meinte Gaborn.
    »Spielt mir nicht den Narren vor«, fuhr Borenson auf und hob zornig die Stimme. Sein Gesicht war erhitzt, und er wand sich am ganzen Körper. »Sylvarresta war lange Zeit Euer Freund, aber jetzt dient er dem Wolflord. Wie viele Gaben der Geisteskraft leitet Sylvarresta an Raj Ahten weiter? Und wie viele Gaben der Anmut die Prinzessin?«
    »Das spielt keine Rolle«, gab Gaborn zurück. »Ich töte keine Freunde!«
    Borenson hielt einen Augenblick inne, versuchte den Zorn zu unterdrücken, der in ihm hochkam. Kann sich selbst ein Prinz soviel Großzügigkeit erlauben? wollte er brüllen. Er wagte jedoch nicht, die Beleidigung laut auszusprechen. Statt dessen widersprach er: »Sie sind keine Freunde mehr. Sie dienen Raj Ahten.«
    Gaborn schüttelte den Kopf. »Sie dienen vielleicht als Vektoren, aber sie haben sich entschieden zu leben, damit sie durch ihr Überleben ihrem Volk dienen können.«
    »Indem sie zulassen, daß Raj Ahten Mystarria zerstört?
    Täuscht Euch nicht, mein Lord. Sie dienen Eurem Feind.
    Eurem Feind, dem Eures Vaters und Mystarrias und meinen Feinden auch! Es ist ein passives Dienen, wohl wahr aber sie dienen ihm nicht weniger, als wären sie Krieger!«
    Wie Borenson sie manchmal beneidete – die Übereigner, die wie fettes Vieh wohlbehütet vom Reichtum ihres Lords lebten.
    Der Prinz mußte doch erkennen, daß Borenson seinem Lord nicht weniger diente und Tag und Nacht sein Bestes gab.
    Borenson schwitzte und blutete und litt. Er hatte eine Gabe des Stoffwechsels übernommen, so daß er im Zeitraum eines Jahres für zwei alterte. Eigentlich war er zwar erst zwanzig, kaum älter als Gaborn, aber das Haar auf seinem Schädel war bereits ausgefallen, und graue Strähnen durchzogen seinen rötlichen Bart. Das Leben rauschte an ihm vorbei, als treibe er, das vorüberziehende Ufer stets vor Augen, in einem Boot dahin, unfähig, etwas zu fassen, sich an etwas festzuhalten.
    Derweil die Menschen Übereigner wegen ihres »Opfers«
    bewunderten.
    Borensons
    Vater
    hatte
    einem
    der
    Kommandanten des Königs eine Gabe des Stoffwechsels überlassen und hatte daher die letzten zwanzig Jahre in einem zauberhaften Schlummer verbracht. Es kam ihm vor wie Betrug – daß sein Vater jung blieb und an nichts litt, während der Mann, dem er die Gabe abgetreten hatte, alt wurde und dahinschwand. Welches Opfer hatte sein Vater denn gebracht?
    Nein, es waren Männer wie Borenson, die am meisten für ihre Lords litten, nicht irgendwelche verdammten Übereigner, die Angst vor dem Leben hatten.
    »Ihr müßt sie töten«, drängte er.
    »Ich kann nicht«, antwortete Gaborn.
    »Bei allen fürchterlichen Mächten, dann laßt es mich tun!«
    brummte Borenson. Er langte nach seiner Axt, wollte sie aus ihrem Futteral ziehen, blickte zu König Sylvarresta hinüber.
    Iome hatte das Scharren des Axtgriffs auf dem Leder gehört,
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