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Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)

Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)

Titel: Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
Autoren: Stefan Holtkötter
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Fensterfront. Sie lebten am Ortsrand, und das große Wohnzimmerfenster wies hinaus zu den Wiesen und Wäldern, die Düstermühle umgaben. Beinahe war es wie früher, als er noch auf seinem Kotten gelebt hatte. Aber natürlich nur beinahe.
    Carl spürte die Kälte in seinen Knochen. Dagegen konnte weder die Heizung noch der warme Sessel etwas ausrichten. Es war eine Kälte, die nur wenig mit dem Winter zu tun hatte. Und da war noch etwas anderes: Er war müde, furchtbar müde, seit Langem schon. Er spürte die Nähe von Mia, seiner verstorbenen Frau. Es würde nicht mehr lange dauern, dann wären sie wieder vereint. Das war nur noch eine Frage der Zeit, und im Grunde sah er dem freudig entgegen.
    Vor der Fensterfront verlief ein kleiner Bach, die Düster, die dem Ort seinen Namen gegeben hatte. Doch das Wasser schien sich heute gar nicht zu bewegen, es staute sich zwischen den Kopfweiden. Über dem Ufer hing immer noch der Dunst der frühen Morgenstunden.
    Das Telefon riss Carl aus der Betrachtung. Es stand auf einem Hocker neben seinem Sessel, damit er sich nicht mühsam erheben und durch den Raum gehen musste. Er nahm das Gerät aus der Halterung und versuchte die Taste auszumachen, die er drücken musste, um ein Gespräch entgegenzunehmen. Seine Augen. Sie ließen ihn zunehmend im Stich. Schließlich gelang es ihm.
    »Carl, hier ist Inge. Hast du schon gehört, was geschehen ist?«
    Inge Moorkamp betrieb mit ihrem Mann die Gastwirtschaft am Ortsausgang. Wobei das nicht ganz stimmte, denn Inge und Heinz waren schon seit Jahren im Ruhestand. Inzwischen führte ihr ältester Sohn die Wirtschaft, gemeinsam mit seiner Frau. Er hatte ein modernes Ausflugslokal daraus gemacht mit einer exklusiveren Speisekarte, einem Biergarten mit bunten Sonnenschirmen und einer kleinen Brauerei, in der er sein eigenes Bier braute: Moorkamps dunkel. Carl, der anfangs den vielen Änderungen skeptisch gegenübergestanden hatte, war vor allem von dem neuen Bier überzeugt gewesen. Es schmeckte herzhaft und süffig, ganz anders als die im Geschmack vereinheitlichten Biere der Großbrauereien.
    Die alten Männer aus Düstermühle trafen sich jeden Sonntag nach dem Hochamt in Moorkamps Kneipe zum Stammtisch. Für diesen Zweck wurde das Hinterzimmer frei gehalten, da es über einen eigenen Tresen verfügte und Heinz und Inge wieder am Zapfhahn stehen konnten, wie früher. Der Stammtisch wurde abgehalten, seit sie alle junge Leute gewesen waren, weshalb sie großen Wert auf diese Tradition legten.
    Seit Carl nicht mehr auf seinem Kotten lebte, sondern im Haus seiner Tochter, war er abgeschnitten von den Gesprächen der Bauern. Inge hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, ihn ab und zu telefonisch auf dem Laufenden zu halten. Damit er sich nicht zu einsam fühlte im Neubaugebiet. Heute klang ihre Stimme jedoch aufgeregt. Es war etwas Schlimmes passiert, das hörte Carl sofort.
    »Alfons Schulte-Stein ist tot, das sagt man jedenfalls.«
    »Alfons?« Das war allerdings eine Überraschung. Alfons war noch ziemlich rüstig gewesen. Carl hätte geschworen, dass er mindestens hundert Jahre werden und noch ausreichend Zeit haben würde, um seinen Sohn und den Rest der Familie in den Wahnsinn zu treiben. Er war doch kerngesund gewesen. »Wer sagt denn das? Ist es vielleicht nur ein Gerücht?«
    »Nein, du verstehst das falsch. Es hat einen Brand gegeben. In der alten Schmiede, in seiner Werkstatt. Man hat die Leiche noch nicht identifiziert, aber wer soll das sonst gewesen sein? Er hat an seinen Körben gearbeitet, als das Feuer ausgebrochen ist.«
    »Er ist im Feuer umgekommen? In seiner Schmiede? Du liebe Güte. Der Himmel weiß, er war ein schwieriger Mann, aber solch einen Tod wünscht man keinem. Gott hab ihn selig.«
    »Das ist nicht alles, Carl. Es ist …« Sie stockte.
    »Was ist noch passiert, Inge?«
    »Siegfried. Der soll das gewesen sein. Der soll das Feuer gelegt haben.«
    »Siegfried? Unmöglich. Das muss ein Missverständnis sein. Hat er schon mit der Polizei gesprochen?«
    »Nein. Er … er ist tot. Er … die Leute sagen, er hat einen Herzinfarkt bekommen, vor der Schmiede. Nachdem er das Feuer gelegt hat, in dem Alfons umgekommen ist.«
    »Siegfried ist tot?« Carl blickte hinaus auf die erstarrte Winterlandschaft.
    »Ja«, sagte Inge. »Unser Siegfried. Es ist so furchtbar.«
    Ein weiterer Wegbegleiter. Ein weiterer Freund. Wie viele noch? Wäre nicht längst er selbst an der Reihe gewesen?
    »Kannst du das glauben?«, fuhr Inge
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