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Dürre Beweise

Dürre Beweise

Titel: Dürre Beweise
Autoren: Manfred Rebhandl
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schon zu spät, und er hörte nicht mehr auf zu reden: „Ich bräuchte mal dringend selbst ein Gefäß, in das ich hineinkotzen könnte.“
    Ich wollte ihm einen Kübel bringen, aber das war’s nicht, was er meinte, er sagte: „Metaphorisch, Rock! Ich meine das metaphorisch! Ich brauche jemanden zum reden, mir hört ja keiner zu, immer muss ich mir von den anderen den ganzen Scheiß anhören, nie fragt mich jemand: Wie geht’s dir?“
    Und weil ich gerade blöd herumstand, nahm er jetzt halt mich als Gefäß, das Pech klebte mir scheinbar an den Füßen.
    Er setzte sich zu mir und holte die schottische Brühe heraus, er nahm einen kräftigen Schluck, fuhr sich mit zittriger Hand durchs Haar und schaute zu Boden, als wäre dort die schwarze Wand, die er suchte. Dann seufzte er ein paarmal kräftig, holte Stift und Zettel aus seiner Sakkotasche heraus und zeichnete drei Räume im Grundriss drauf, dazu ein zentrales Vorzimmer. Dann erklärte mir der Spinner, wie er sein Imperium mittlerweile aufgebaut hatte, und ich muss schon sagen: Das war keine Psychoklitsche mehr, die er da betrieb, das war eine Psycho-Scheiß-Fabrik mit Massenabfertigung: „Ich vereinbare meine Termine im Viertelstunden-Rhythmus und nicht im Stunden-Rhythmus, presse 32 Termine pro Tag hinein statt acht, aber keiner weiß vom anderen, jeder glaubt, er ist der Einzige, um den ich mich kümmere, diese Vollidioten! Ich setze ein paar Studenten hinein, die so tun, als wären sie ich, ich sagen ihnen, sie sollen alle drei Minuten ‚Mhm‘ und ‚Ich verstehe‘ sagen, während ich selbst mich zudröhne oder mich auf meine eigene Couch lege, um zu schlafen, diese verdammten Weiber mir ihrer Scheiß-Frigidität, ich halt das nicht mehr aus!“
    Ich bewunderte ihn ehrlich, ich kannte da keinen Neid, wenn einer die richtige Abzweigung im Leben genommen hatte und das Beste daraus machte. Ich fasste ihm an den Ärmel seines feinen Mantels und sagte: „Dafür trägst du jetzt aber keine Kartoffelsäcke mehr wie früher, als ich dich kennenlernte, sondern feinen Zwirn.“
    Der freilich voll mit Blut war. Er schrie: „Das ist Schmerzensgeld, Rock! Wenn die Stunde, die aber nur 45 Minuten dauert, vorbei ist, schleiche ich mich hinein ins Zimmer und löse die Studiosi ab, die sich Notizen machen, von denen ich dann behaupte, dass ich sie später auswerte, aber ich scheiß drauf! Ich scheiß echt einen Riesenhaufen drauf, und dann werfe ich sie weg. Und dann, wenn ich drin sitze mit der Alten, die seit drei Jahren keiner mehr gefickt hat, weil sie so hässlich ist, sage ich noch ein paar Mal: ‚Mhm, ich verstehe.‘ Es ist nämlich ganz wichtig, dass du zu den Mädels immer ‚Ich verstehe‘ sagst, das ist das wichtigste überhaupt, verstehst du?“
    Ich hätte gerne „Ich verstehe“ gesagt, verstand aber nicht viel, also fragte ich: „Wieso?“
    „Weil sie das einfach so wollen, dass man immer ‚Ich verstehe‘ sagt, nichts auf der Welt wollen sie lieber hören als das. Dann halte ich die Kralle auf für die eine Stunde, die 45 Minuten dauert, und stecke die zwei Hunderter in den Sack, steuerfrei. Und dann verkaufe ich ihnen noch Lemmys Gras, und weil das Gras sie erfahrungsgemäß glücklich macht, während sie sich zuhause Dr. House anschauen, von dem sie so gerne verstanden werden möchten, der aber leider nicht da ist, lassen sie sich aus Dankbarkeit von mir flachlegen oder blasen mir einen, ich halt das nicht mehr aus!“
    Ich fand, das war ein Luxusproblem, fragte aber trotzdem: „Wie oft kommt das vor?“
    Er sagte: „Oft! Aber natürlich um den Preis, dass ich dauernd ‚Ich verstehe‘ sagen muss zu Frauen, die so scheißhässlich sind, dass sie zu Recht keiner mehr will. Und dass sie ausgerechnet mich dann wollen, das empfinde ich mittlerweile als demütigend, als echt demütigend!“
    Früher, als ich ihn kennenlernte und er noch in seiner ungebrochenen Nase bohrte, hätte er dafür bezahlt, wenn ihn eine von den Schwabbelbräuten rangelassen hätte, aber so änderten sich die Zeiten.
    Heute hatte er die Hosen voller Geld und war ein Experte auf dem weiten Feld der weiblichen Seele, und – was man anfangs nicht erwarten durfte – auch auf dem unendlich weiteren Feld des weiblichen Körpers. Aber er wirkte auch wie einer von diesen viel zu früh reich gewordenen Fußballern, die einfach jede haben konnten, aber nicht mehr wussten, wieso. Er flüsterte: „Ich hab das Gefühl, dass ich immer nur gebe, und dass ich nie nehme …“
    Er
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