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Dürre Beweise

Dürre Beweise

Titel: Dürre Beweise
Autoren: Manfred Rebhandl
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aber mal: Verkaufst du Lemmys Zeug an ihn weiter, und er verkauft es an seine 13-jährige Nichte weiter, versteh ich das richtig?“
    Kubelka nickte: „Das Ganze hat in erster Linie einen therapeutischen Aspekt, es verschafft ihm ein wenig Anerkennung, zumindest von einer 13-Jährigen. Und sie kann einmal in ihrem Leben die hohen Erwartungen erfüllen, die ständig an sie gestellt werden, denn Lemmys Gras ist wirklich einmalig.“
    Ich sagte: „Ja okay, aber wieso weißt du das alles?“
    „Weil Ronnie und seine Schwester als Kinder auch unter den allzu hohen Erwartungen ihrer Eltern gelitten haben und die Erwachsenen die erlittenen Kränkungen immer an die eigenen Kinder weitergeben, ich hab’s dir doch erklärt!“
    Ich sagte: „Ich brauch halt ein bisschen länger.“
    Das Problem der hohen Erwartungen kannte ich natürlich selbst auch, und zwar von Happiness, wenn sie wollte, dass ich sie stunden- und wochenlang befriedigte, diesen Erwartungen allerdings wurde ich bisher immer gerecht. Mehr beschäftigte mich also die Sache mit dem Weiterverkauf, aber Ku nagelte mir gleich wieder die Schuhe an den Boden, bevor ich abheben konnte, er sagte: „Ich weiß, was du jetzt denkst, Rock, aber vergiss es! Ihr braucht nicht nur das Produkt, sondern auch den Markt. Und sorry, aber du hast keine Kinder und Lemmy auch nicht, und ihr kennt beide keine verdammten Mütter, die Kinder haben und euch Zugang zum Schulmarkt verschaffen, also tut mir echt leid, das ist nichts für euch.“
    Ich sagte: „Du hast keine Ahnung, wie viele Kinder Lemmy schon hat.“
    Dabei schaute Ronnie mich plötzlich so verdammt traurig an, sodass ich kurz glaubte, das dünne Band zu sehen, das ihn mit seiner Nichte verband. Weiß der Teufel, aber auch als Rocker hat man scheinbar Gefühle, und wenn man sich selbst nicht fortgepflanzt hat und so ein beschissenes Leben führt wie er, dann vermisst man vielleicht sogar seine 13-jährige Nichte. Dann kam noch hinzu, dass man im Winter keine ausgedehnten Motorradtouren unternehmen kann, sodass man die Harley irgendwo unterstellen muss und genug Zeit hat, sich zu fragen, ob der Nichte vielleicht was passiert ist, nur weil sie mal nicht wegen dem Gras vorbeigekommen ist, also fragte ich: „Wie heißt denn die Kleine überhaupt?“
    Er sagte: „Maxi.“
    Die Zeiten waren wohl endgültig vorbei, als man Mädels und Jungs noch an ihren Namen auseinanderhalten konnte, aber Ku klärte mich auf: „Ihr richtiger Name ist Maxima, das heißt die Beste, das Maximum, die Erste auf dem Treppchen. Schon hier manifestiert sich natürlich überdeutlich der hohe Anspruch der Eltern, allerdings geschrumpft zur verniedlichten Form.“
    Ich sagte: „Darum will ich ja, dass ihr alle immer Rock zu mir sagt und nicht Rocky, weil ich diese verniedlichende Form so hasse. Hast du mal ein Foto von der Ersten auf dem Treppchen?“
    Ronnie hatte keines. So eng war die Geschäftsbeziehung dann auch wieder nicht zu seiner Nichte, aber er wusste immerhin: „Sie hat ein Tattoo am Unterarm, so wie meines. Ich hab ihr das Geld dafür gegeben und ihr einen Termin oben bei Ink-Joe auf der Koppstraße besorgt, der’s ihr dann gemacht hat.“
    Um Missverständnisse zu vermeiden, fragte ich: „Das Tattoo?“
    Er sagte: „Ja.“
    Ich sagte: „Lass mal sehen.“
    Er zeigte mir seinen fleischigen Unterarm, und ich sah eine fette Nackte in Strapsen und rosarotem Tutu um die speckigen Hüften und High Heels an den Stummelbeinchen und mit riesigen Titten vorne dran, und sogar ich hätte nun schon meinen Arsch darauf verwettet, dass dieses hässliche Monster das Gesicht seiner Mutter trug, und noch bevor ich Ku anschaute, wusste ich selbst, was dahinter steckte: „Das ist wohl so eine Art von Rebellion, nicht wahr?“
    Und Ku nickte zufrieden.
    Ich fasste also zusammen: „Wenn deine Nichte kein Gras bei dir kauft, dann fehlt dir ein wenig der Sinn im Leben, und wenn sie dich zu Weihnachten nicht anruft, dann ruft dich überhaupt niemand mehr an und du denkst daran dich umzubringen, läuft es darauf hinaus?“
    Ronnie bestätigte: „Ja, so ist es.“
    Langsam mauserte ich mich zu Kubelkas Reserve-Therapeuten, und wenn er mal krank sein würde, dann könnte ich mich für ihn in seine Praxis setzen und statt ihm meine Lauscher aufspannen, ich fand Gefallen daran, hinter dem ganzen Fettberg nach Ronnies Seele zu suchen, brauchte zuvor aber noch eine handfeste Information: „Jetzt verrat mir nur noch, wo deine Schwester mit deiner Nichte
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