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Duerers Haende

Duerers Haende

Titel: Duerers Haende
Autoren: Petra Kirsch
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abgelöst worden. Paula kannte sie vom Schießstand am Jakobsplatz, wo die Schlumpfschützin Steiner deren Treffsicherheit und Unerschrockenheit bewundert hatte. Auch heute versetzte die junge Frau sie in Erstaunen. Nicht gerade schlank, aber Männer würden wohl sagen: die Rundungen exakt da, wo sie hingehören, aufrechte Haltung, rasierklingenscharfe Bügelfalte in der Hose und auch die grüne Uniformjacke wie auf den Leib gebügelt, große grüne Augen, Porzellanteint, höchstens fünfundzwanzig Jahre alt. Eine Freundin und Helferin wie aus dem Bilderbuch.
    »Guten Morgen, Frau Steiner.«
    »Guten Morgen, Frau … leider weiß ich Ihren Namen nicht. Aber ich kenne Sie natürlich vom Polizeipräsidium, gesichtsweise.«
    »Ich bin die Eva Brunner.«
    »So, Frau Brunner, dann haben Sie den Kollegen hier abgelöst.«
    »Ja. Denn erstens fehlt mir das, die Absperrung und Sicherung eines Tatorts, noch in meinem Ausbildungsplan, derzeit bin ich im Dezernat 2, K20, Zentrale Auswertung. Und zweitens«, fügte sie leise hinzu, »hat sich der Kollege wohl nicht gerade regelkonform verhalten.«
    Regelwidrig auch nicht, dachte sie, sagte aber nichts darauf. Sie suchte nach einer passenden Abschiedsformel. »Dann bis bald. Wir laufen uns am Jakobsplatz sicher mal wieder über den Weg.«
    »Auf jeden Fall, Frau Steiner. Ich komme nämlich in drei Wochen in das Kommissariat 11. Am liebsten wäre mir, wenn ich zu Ihnen käme.«
    Paula Steiner musste grinsen. »So, warum ausgerechnet zu mir? Wir sind nur zu zweit, Herr Bartels und ich. Der Sachbereich vom Kollegen Trommen zum Beispiel hat dagegen sechs Leute, mit ihm sogar sieben. Da würden Sie sicher mehr erleben. Und mehr lernen.«
    »Aber Sie sind für mich die beste KHK. Sie kriegen alle. Egal ob Sie sechs Mitarbeiter oder keinen haben.«
    Oh, wie gut das tat nach all den »Nurs«! Da war es im Augenblick auch egal, ob die Kommissaranwärterin mit ihrem überschwänglichen Lob recht hatte oder nicht. Im Augenblick zählte lediglich, dass es auch Kollegen gab, für die sie mehr war als »nur die Frau Steiner« oder »nur meine Chefin«. So verzichtete sie darauf, diesen Irrglauben zurechtzurücken, und schluckte die Worte, süß wie Honig auf einem Butterbrötchen, widerspruchslos hinunter.
    Auf dem Weg zurück in die Innenstadt bog sie rechts in die Bismarckstraße ein. Sie wollte Heinrich, heute früher als üblich, ihre Aufwartung machen und ihm von ihrem Ohne-Wenn-und-Aber-Plan erzählen. Doch daraus wurde nichts.
    Als sie das Foyer des Theresien-Krankenhauses betrat, hörte sie aus der Cafeteria im hinteren Teil eine Schafkopf-Runde lauthals rumkrakeelen: »… heb dir nur deine Herren gut bis zum Schluss auf, wenn sie dann alle zusammenfallen« … »So werden wir auf jeden Fall schon mal nicht schneiderfrei« … »Aber den könntest du jetzt schon übernehmen, oder ist das von dem Herrn zu viel verlangt?« … »Und womit, bitte sehr?« … »Herz ist immer noch Trumpf, schon das ganze Spiel über, nur zur Erinnerung, falls dir das entfallen –« … »Du Rindvieh, wenn ich doch kein Herz mehr habe …«
    Das klang wie Heinrichs Stimme. Sie setzte die Brille auf und sah genau hin. Ja, das war Heinrich, tatsächlich. Vergnügt, ausgelassen, mit vor Spieleifer geröteten Wangen, vor sich ein Kännchen Kaffee und zwei Croissants, neben sich der Jogginganzug-Träger von gestern Abend. Instinktiv trat sie hinter die wuchtige Steinsäule. Sie dachte einen kurzen Moment nach, dann ging sie eilig zum Aufzug.
    Verifizieren und falsifizieren von Zeugenaussagen gehörte zum Methodenfundus der ehemaligen Soziologiestudentin Steiner. Ein Arbeitsmittel, das ihrer Meinung nach viel zu wenig eingesetzt wurde – und das sich jetzt und hier für die Aussagen des Zeugen Bartels hervorragend eignen würde. Im dritten Stock fragte sie nach dem diensthabenden Arzt. Sie wurde ins Schwesternzimmer verwiesen. Der Arzt war eine Ärztin: »Dr. S. Leipold« stand auf dem Namensschild der hübschen Brünetten, die sie um mehr als eine Kopflänge überragte. Sie stellte sich vor, mit Rang und Dienstausweis, und fragte nach dem Befinden ihres Mitarbeiters.
    »Darüber darf ich nur nahen Angehörigen Auskunft geben«, lautete die knappe, aber nicht unfreundliche Antwort.
    »Natürlich, das ist mir klar. Ich muss nur wissen, wann ich in etwa wieder mit Herrn Bartels rechnen kann. Meine Kommission hat derzeit einen äußerst heiklen Fall zu lösen, bei dem Eile geboten ist. Da kann ich nicht
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