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Du zahlst den Preis fuer mein Leben

Du zahlst den Preis fuer mein Leben

Titel: Du zahlst den Preis fuer mein Leben
Autoren: Carolin Philipps
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gepflanzt. Auf der Holzbank haben sie früher jeden Sonntag gepicknickt. Heute kommt die Mutter nur noch selten hierher.
    Nica dagegen setzt sich jeden Tag auf die Holzbank neben dem Grabstein und redet mit ihrem Vater. Sie erzählt ihm von der Schule, von ihren Freundinnen, von Ibu und Bapak, von Kali. Nur eines erzählt sie ihm nicht: dass ihre Mutter ihn für tot erklärt hat, weil sie einen neuen Freund hat. Ulf. Nica hasst die Mutter dafür. Sie sagt zwar, das hat mit dem neuen Mann in ihrem Leben nichts zu tun. Sie sagt zwar, sie braucht einfach nur Klarheit und sie muss endlich auch Verfügung über die Aktien haben, die nur auf den Namen des Vaters ausgestellt sind. Sie braucht das Geld, um investieren zu können. Und darum musste sie ihn für tot erklären lassen.
    Nica hasst sie trotzdem dafür.
    Sie legt sich auf den Rasen neben den Stein und schließt die Augen. Wie jedes Mal, wenn sie hier ist, fragt sie sich, ob er noch leben würde, wenn sie damals den Ausflug ins Landesinnere gemacht hätten. Wenn sie nur nicht so egoistisch gewesen wäre. Wenn …
    Bapak sagt, es ist alles vorherbestimmt. Er sagt, unser Leben ist wie ein Film, der schon abgedreht ist. Wir Menschen können nichts daran ändern. Alles, was in der Vergangenheit geschehen ist und was in der Zukunft geschieht, ist von Allah vorherbestimmt. Egal, was wir tun, es ändert nichts. Es gibt kein
Was wäre wenn

    Bapak hat sie einmal mitgenommen zum Imam in die Moschee. Der hat ihr einen Zettel mit einer Sure aus dem Koran in die Hand gedrückt: »Nicht ihr erschlugt sie, sondern Allah erschlug sie. Nicht du warfst, sondern Allah warf. Er wollte die Gläubigen einer schönen Prüfung unterziehen. Siehe, Allah ist hörend und wissend.«
    »Was soll das heißen?«, hat Nica ihn gefragt.
    »Es ist eine sehr tröstliche Botschaft: Es ist Allah, der handelt, nicht du. Dich trifft keine Schuld am Tod deines Vaters.«
    »Aber warum? Warum musste mein Vater sterben? Das versteh ich nicht. Allah hätte ihn auch leben lassen können.«
    Der Imam hatte sie mitleidig angelächelt. »Wer glaubt, stellt solche Fragen nicht. Allah hat den Gang der Ereignisse unseres Lebens so festgelegt, dass für uns das Beste herauskommt. Wir haben keine Macht über unser Schicksal. Wir folgen nur den Wegen unseres vorherbestimmten Schicksals, das Allah zu unserem Besten geschaffen hat. Wir haben nicht die Macht, etwas, was Allah uns geschickt hat, zu verhindern.«
    Auch wenn nicht alle Fragen beantwortet sind, ist es doch tröstlich zu wissen, dass sie keine Schuld am Tod des Vaters trifft. Mit ihrer Mutter kann Nica darüber nicht reden. Sie hat nur selten Zeit für solche Probleme.
    In diesem Moment klingelt Nicas Handy. Emmas empörte Stimme schallt ihr entgegen. »Wo steckst du? Hast du die After-Show-Party vergessen? Wir warten auf dich!«
    »Bin nach Hause gegangen. Hatte keinen Bock auf Party. Tut mir leid, Emma, aber mir ist nicht nach Party.«
    »Kali ist auch verschwunden. Tolles Paar seid ihr! Gemeinsames Trübsalblasen oder wie?«
    »Erstens ist er nicht hier. Und zweitens sind wir kein Paar!«
    »Das klang aber neulich ganz anders.«
    »Neulich war gestern.«
    »Hab ich was verpasst? Hey, Nica, geht es dir gut? Soll ich vorbeikommen?«
    »Geht schon. Bin nur müde.« Enttäuscht legt Emma auf. Nica schaltet das Handy aus. Sie ist eben keine Partymaus wie ihre Freundin, die keine Feier auslassen kann, ohne depressiv zu werden.
    Für Nica ist die kleine Lichtung unter dem Kastanienbaum ein heiliger Ort, den niemand ohne ihre Erlaubnis betreten darf. Darum war Nica auch sehr erbost, als sie vor zwei Wochen hierherkam und das Zelt sah. Kali hat es direkt neben dem Stein aufgebaut, als er plötzlich bei seinen Eltern ausgezogen ist. Seitdem schläft er hier draußen.
    »Es ist ein Ort der Trauer«, hat Nica ihn angeschrien. »Du hättest wenigstens fragen können. Ich will dein Zelt hier nicht.«
    »Ich bin auch traurig, sehr traurig sogar«, hat Kali geantwortet. »Es tut mir leid, dass ich dich nicht gefragt habe, aber du warst nicht da.«
    Das Zelt steht immer noch hier. Es ist ein Ort der Trauer, und Kali trauert, so viel ist sicher, auch wenn Nica nicht weiß, warum.
    Leise Schritte nähern sich. Wahrscheinlich Bapak, der seinen abendlichen Rundgang macht. Plötzlich steht Kali vor ihr. Strahlende Sieger sehen anders aus, denkt Nica.
    »Ich hab dich überall gesucht, Nica. Es tut mir leid!«
    »Lass mich in Ruh! Geh lieber feiern! Du hast doch gewonnen! Was
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