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Du zahlst den Preis fuer mein Leben

Du zahlst den Preis fuer mein Leben

Titel: Du zahlst den Preis fuer mein Leben
Autoren: Carolin Philipps
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betreut,
    Sensationen hat noch kein Medium bereut.
    Reporter stürzen sich global darauf,
    denn Sensationen hübschen die Quote auf.
    Eine Welle des Mitleids rast rund um den Globus
    Kollektives Spenden ist ein Muss.
    Die Millionen fließen ... kein Mensch weiß wohin.
    Für die Spender macht allein das Spenden schon Sinn.
    Auch du wartest auf die Welle,
    stehst an der Stelle, wo einst dein Zuhause stand.
    doch die wohlgemeinte Welle
    kommt nicht bis zu der Stelle, wo du sehnsüchtig ... wartest.
    Sie überschwemmt die andern mit guten Gaben,
    oft kommt sie zu denen, die alles haben.
    Du wartest auf die Welle,
    doch sie kommt nicht zu dir,
    sie versickert, denn sie weiß nichts von dir.
    Du sitzt in den Überresten
    von dem, was mal dein Leben war.
    Du brauchst Hilfe, das ist allen klar.
    Doch das Mitleid mit seinen guten Gaben
    Ist für dich nicht zu haben.
    Der Nachbar, der Brunnen im Ort, die Moschee in der Stadt,
    sie alle kriegen Mitleidsgelder satt.
    Nur du stehst dir die Füße platt,
    während du wartest und wartest ...
    auf das Wunder,
    das niemals kommen wird.«
    Nica hält sich die Ohren zu. Warum tut er das? Sie will das nicht hören! Sie kennt doch die ganze Geschichte längst. Hat sie hundert Mal gehört. Es reicht. Irgendwann muss Schluss sein. Die Mutter hat recht, man muss vergessen können, um nicht verrückt zu werden.
    Kali reißt ihr die Hände von den Ohren. »Was ist los mit dir?
Du
wolltest doch die Wahrheit!
Du
hast doch angefangen, alles wieder aufzuwühlen. Wo ist Riani? Wo ist Riani? Wer hat das denn ständig gefragt? Warum konntest du nicht einfach vergessen?«
    »Was hat Riani damit zu tun?«
    Da fängt Kali an zu lachen. Laut und schrill. Er lacht und lacht.
    Nica rennt davon.
    »Du kannst vor der Wahrheit nicht davonlaufen«, ruft er ihr nach.
    Nica läuft und läuft. In ihrem Zimmer zieht sie sich die Bettdecke über den Kopf. Vielleicht hat sie ja Glück und die Erinnerungen bleiben draußen.
    * * *

3
    Weihnachten 2005. Genau ein Jahr nach der Katastrophe war Nica mit ihrer Mutter erneut nach Banda Aceh geflogen. Wie viele andere legten sie am Strand von Ulee Lheue Blumen nieder. Hand in Hand mit der Mutter stand Nica dort und schaute über das Meer.
    Welle auf Welle kam angerollt, leichter Schaum lag obenauf. Es waren friedliche Wellen, keine türmte sich haushoch auf, niemand musste vor ihnen davonlaufen. Wie auf der Internetseite beschrieben, war dies ein idealer Ort für Eltern mit kleinen Kindern zum Schwimmen und Burgenbauen. Nica betrachtete die lachenden Menschen, die ihren Spaß in den Wellen hatten. Kinder, die mit ihren Vätern herumtobten. Nichts erinnerte hier an die Todeswelle, bis auf die vielen Blumen im Sand.
    In der Ferne sah man die Berge, die steil zur Küste hin abfielen. Dort an den Felsen wollte der Vater an jenem Tag tauchen. Wo war er, als die Killerwelle heranrollte? Auf dem Boot oder unter Wasser? Ist er ertrunken oder hat die Welle ihn am Felsen zerdrückt?
    Gegen alle Vernunft hofften sie beide, dass der Vater doch noch wie durch ein Wunder überlebt hatte, auf einer einsamen menschenleeren Insel vor der Küste, wie Robinson Crusoe. Vielleicht saß er dort am Strand und wartete auf ein vorbeifahrendes Boot.
    Für einen Moment standen sie unter dem Baum, der Nica das Leben gerettet hatte, und legten auch dort einen Blumenstrauß hin. Zum Andenken an den Mann, der sie aus dem Wasser gezogen, dann aber selber das Gleichgewicht verloren hatte und ertrunken war.
    Danach machten sie sich auf die Suche nach Rianis Familie. Als sie Ende Januar abgereist waren, hatte Bapak versprochen, weiter nach Nicas Vater zu suchen. Er hatte einen Job beim Deutschen Roten Kreuz bekommen, half bei der Trümmerbeseitigung und beim Wiederaufbau der Häuser. Alle paar Wochen sandte er über einen Mitarbeiter beim Roten Kreuz eine E-Mail. Das Fischerboot, auf dem der Vater gewesen war, hatte man zerstört fünf Kilometer landeinwärts auf einem Feld gefunden. Die große Welle hatte es wie viele andere Boote dorthin geschwemmt. Von Nicas Vater aber fehlte weiterhin jede Spur.
    An der Seite ihrer Mutter ging Nica durch die Straßen von Banda Aceh. Die Stadt war eine einzige Baustelle. Obwohl überall internationale Hilfsorganisationen mit dem Wiederaufbau der zerstörten Häuser begonnen hatten, lebten immer noch Hunderttausende in Zelten und Barackenlagern. Im Wasserbecken vor der großen Moschee spiegelten sich die Türme. Ein Bild wie aus einem Märchen.
    Beim Roten Kreuz sagte
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