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Du zahlst den Preis fuer mein Leben

Du zahlst den Preis fuer mein Leben

Titel: Du zahlst den Preis fuer mein Leben
Autoren: Carolin Philipps
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willst du mehr?« Sie dreht sich weg.
    »Ich musste das tun …«
    »Ach, ja? Musstest du? Damit alle Erinnerungen hochkommen, oder wie? Na, das ist dir gelungen. Danke schön!«
    Nica steht auf und geht langsam durch den Park zurück zum Haus. Das Wasser im Swimmingpool vor der Terrasse schimmert geheimnisvoll. Nica setzt sich an den Rand und lässt ihre Beine ins Wasser gleiten. Es ist warm und weich. Vorsichtig bewegt sie ihre Füße hin und her. Die kleinen Wellen, die so entstehen, sterben schon, bevor sie das gegenüberliegende Ende des Pools erreichen. Die Wasseroberfläche ist wieder glatt.
    Das Meer ist blau
    Die Gischt leicht grau.
    Fürchte dich nicht vor der Welle!
    »Meine kleine Wasserschlange!«, hat der Vater sie immer genannt. Mit sechs Monaten nahm er sie mit zum Babyschwimmen. Das war der Anfang eines Vater-Tochter-Wochenendvergnügens, im Winter in der Halle, im Sommer im Gartenpool. Die Mutter zog ihren Liegestuhl am Poolrand vor.
    Zusammen mit ihrem Vater betreute Nica auch das große Aquarium im Wohnzimmer. Tagelang waren sie durch die Zoogeschäfte gezogen, um die richtigen Fische zu finden. Nach dem Tod des Vaters hat die Mutter das Aquarium mit den Fischen verkauft. Sie war der Meinung, dass Nica zu klein war, um es alleine zu betreuen. Sie selber hatte keine Ahnung und auch kein Interesse. Nica hat wochenlang um jeden ihrer Fische getrauert, vor allem um die kleinen Clownfische, die alle einen Namen hatten.
    Nica zieht ihre Beine hoch und schlingt die Arme darum. Es hat Monate gedauert, bis sie wieder schwimmen gehen konnte, und auch das nur im Pool, weil die Wellen dort nicht bedrohlich waren.
    Es wird dunkel, im ersten Stock gehen die Lichter an. Hinter dem linken Fenster liegt die Küche, wo Kalis Mutter wohl gerade das Essen warm macht. Ayamgoreng, gebratenes Hühnchen mit Reis, gewürzt mit scharfer Chilipaste.
    Aber Nica hat keinen Hunger.
    Unten im Erdgeschoss bleiben die Zimmer auch heute dunkel. Ihre Mutter ist wieder einmal auf einer längeren Dienstreise in Frankreich. Nach dem Tod des Vaters hat Nicas Mutter die Firma alleine weitergeführt. Sie hat sich in die Arbeit gestürzt, als könnte sie dadurch die dunklen Gedanken verscheuchen. Sie ist heute eine sehr erfolgreiche Geschäftsfrau, die sehr viel mehr Geld verdient, als sie ausgeben kann.
    Nica hat sich früher oft gewünscht, dass jeder zweite Euro, den die Mutter verdiente, sich in eine Stunde gemeinsamer Zeit umwandeln ließe. Die Großeltern zogen zunächst in den ersten Stock der Villa ein und kümmerten sich um Nica. Als die Großeltern in ein Pflegeheim mussten, stellte die Mutter eine Haushälterin ein, die Nica tagsüber und wenn sie auf Reisen war betreute. Nica mochte sie nicht. Es gab ständig Streit und Tränen.
    Seit zwei Jahren wohnt nun Kalis Familie im ersten Stock der großen Villa. Nicas Mutter hat Kalis Vater als Hausmeister eingestellt, Kalis Mutter kümmert sich um den Haushalt und um Nica.
    Nica schaut zu den erleuchteten Fenstern hinauf. Wie viele Tage und Abende hat sie dort verbracht, wie viele fröhliche Stunden beim gemeinsamen Essen mit Freunden von Ibu und Bapak! Inzwischen spricht sie auch indonesisch wie ihre zweite Muttersprache. Hier fand sie die Familie, die sie verloren hat, hier ist oder besser war ihr eigentliches Zuhause, bis sie es durch ihre Ungeduld und Neugier selber zerstört hat.
    »Die Welle, Teil 2.« Aus dem hinteren Teil des Gartens ertönt Kalis Stimme. Überdeutlich betont er die deutschen Worte, die aus seinem Mund immer noch ein wenig fremd klingen.
    Nica zuckt zusammen.
    Sie schleicht zurück zum Ende des Parks, wo Kali, beleuchtet vom fahlen Licht des Mondes, neben seinem Zelt steht, die rechte Hand wie ein Mikro an den Mund gelegt.
    Nica ist empört. Muss er seine Show unbedingt hier abziehen?
    »Was machst du? Hör auf damit!«
    »Es ist der 2. Teil. Für morgen. Die Welle, Teil 2.«
    »Ich will das nicht hören.«
    »Ich hab es für dich geschrieben. Für dich und für meine Eltern und für die ganze Welt!«
    »Du bist ja verrückt! Niemand will das hören. Es ist vorbei!«
    »Es ist vorbei! Du hast ja keine Ahnung, wie recht du damit hast!« Kalis Stimme klingt traurig. Leise beginnt er wieder:
    »Die Welle, Teil 2:
    Sie geben der Welle einen Namen,
    nun hat das Grauen einen Rahmen,
    Killerwelle wird sie genannt
    Und in ein Forschungsprogramm gebannt
    zwecks Frühwarnung beim nächsten Mal.
    Den Toten von heute ist das egal.
    Das Grauen selbst wird von anderen
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