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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst
Autoren: Dan Wells
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wie eine Decke über mich, ich wachse und schrumpfe abwechselnd, mit allen Sinnen nehme ich eine Explosion wahr und sehe mich inmitten funkelnder Teilchen. Ich keuche und habe Mühe, mich überhaupt daran zu erinnern, dass ich Lungen besitze, die ich benutzen muss, um lebendig zu bleiben. Dann sehe ich wieder klar und spüre einen Druck im Rücken. Ellie kniet auf mir und dreht mir die Arme auf den Rücken, um mich zu fesseln.
    »Stehen Sie auf!«, knurrt Vanek mit zusammengebissenen Zähnen. Er schluckt den Schmerz hinunter. »Stehen Sie auf und schlagen Sie zurück!«, treibt er mich an.
    Als Ellie sich vorbeugt, um nach einem Seil zu greifen, schwinge ich den Arm nach hinten und drehe den Oberkörper mit, um ihr den Ellbogen ins Gesicht zu rammen. Sie wirft die Arme hoch und kippt zur Seite, dabei rutscht ihr das Seil aus der Hand. Polternd rollt sie über den Holzboden und bleibt vor der Made liegen, die an ihrem Körper schnüffelt. Das schleimige Maul saugt die Luft ein. Rasch wende ich mich um und springe Ellie an, um sie am Boden festzuhalten.
    »Kinder!«, ruft sie und will sich befreien. Ich versetze ihr einen Schlag ins Gesicht und spüre, wie die Hand vor Energie summt. Der Kontakt weckt Schmerzen, ihre Schmerzen und meine eigenen, die zusammen mit einem Trommelfeuer aus Angst, Verzweiflung und bösartiger heißer Wut übertragen werden. »Hinunter von mir!« Sie hebt den Kopf, und ich schlage noch einmal mit dem Ellbogen zu. Nach dem Aufprall ist sie benommen und atmet keuchend. Ich packe ihren Kopf mit beiden Händen. Die Eindrücke rasen mir durch die Arme wie elektrische Schläge. Gefühle, Gedanken, Erinnerungen und Zorn werden eins. Ich sehe die Dunkelheit unter der Erde, empfinde Verwirrung und Schmerzen, ich heule eine Verzweiflung hinaus, die so alt ist, dass sich jeder bewusste Gedanke zerschlägt. Das Gefühl hält mich im Bann, ein Schraubstock unendlicher Traurigkeit, und ich ringe darum, ihm zu entfliehen. Ich kann nicht loslassen, unsere Geister sind in der Verschmelzung erstarrt. Mühsam schiebe ich die Arme vor, tatsächlich bewegen sie sich eine Handbreit. Ich schaffe es. Eine Ewigkeit voll emotionsloser, fremder Gedanken umfängt mich, dann aber brechen die Gefühle durch, und ich knalle Ellies Kopf auf den Holzboden. Sie erschlafft.
    Keuchend hocke ich da und lasse den Kopf los, rappele mich auf und betrachte die reglose Frau. Die Made ist verschwunden, das Seil liegt vergessen am Boden.
    Habe ich sie getötet? Ich beuge mich vor und rechne damit, dass sie jeden Moment aufspringt – oder dass eine weitere Made aus dem Oberkörper hervorbricht und mich angreift. Sind es wirklich Maden? Oder eher Mikrochips? Ich könnte die Frau aufschneiden, um es herauszufinden. Dann wüsste ich ein für alle Male Bescheid, was sich in ihnen verbirgt.
    Sind die Sektenanhänger auf diese Weise gestorben? Von einem Verrückten erschlagen, der seinen lebhaften Täuschungen erlag?
    Bin ich am Ende doch der Wellnesskiller?
    Der Türgriff klappert. Jemand kommt.



»Schließen Sie ab!«, ruft Vanek und deutet zur Tür. »Schnell! Sonst entdecken sie sie!«
    Die Tür öffnet sich, ich stolpere eilig darauf zu. Jemand späht herein. »Ellie?«
    Ich knalle die Tür zu und schließe ab. Der Spalt war nicht breit genug, wahrscheinlich hat der Besucher, wer immer es war, die liegende Frau nicht bemerkt. Hoffentlich.
    Die Stimme klingt jetzt drängender und obendrein verwirrt. »Ellie?«
    »Sagen Sie ihnen, dass ich es bin«, rät Vanek. »Sie vertrauen Ihnen, denn dazu wurden sie erzogen.«
    »Ich bin es«, sage ich rasch. »Doktor Vanek.«
    »Was gibt es?«
    »Wir haben einen Schrei gehört, Doktor. Ist da drinnen alles in Ordnung?«
    Ich gebrauche die erstbeste Ausrede, die mir einfällt. »Ellie will die Evakuierung abblasen.«
    »Nein!« Vanek stürmt auf mich zu.
    »Sagen Sie es den anderen«, fahre ich fort. »Alle sollen auf dem Gelände bleiben.«
    »Das können Sie nicht tun!« Vanek will die Tür öffnen, doch ich blockiere den Griff mit dem ganzen Körper. »Wir müssen evakuieren«, beharrt er. »Daran kann Ellies Verrat nichts ändern.«
    »Ihr Tod aber schon.« Ich starre ihn an. »Ich habe das Kommando übernommen, und ich will, dass endlich Schluss ist – mit dem Gelände, den Kindern, dem so­genannten Prozess, was auch immer das sein mag. Die Cops kommen wieder und werden alles finden und ihm ein Ende bereiten.«
    »Und was geschieht mit dem, der das Kommando inne­hat?«, fragt Vanek. »Man
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