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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst
Autoren: Dan Wells
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vielleicht schon heute Nacht, wird die Polizei zurückkehren. Wir müssen uns vorbereiten.« Sie wendet sich an Danny. »Unsere Hauptsorge muss der Kinderkrippe gelten. Wenn sie die Kinder finden, können wir unsere Pläne nicht mehr geheim halten.«
    »Wir haben Vorbereitungen getroffen«, beruhigt Danny sie. »Wollen wir uns verstecken oder lieber evakuieren?«
    »Verstecken«, entscheidet Ellie. »Aber bereitet euch sicherheitshalber auch auf eine völlige Evakuierung vor.«
    »Ich brauche eine Stunde.«
    »Fang sofort an.« Ellie reckt das Kinn. »Dass es aus­gerechnet jetzt passieren muss! Wir dürfen keinesfalls auffliegen.«
    »Was ist mit dem Heim?«, fragt Arlene. »Sie werden die Suche nach Vanek als Vorwand benutzen, um alles zu beschlagnahmen, was sie entdecken. Wenn sie die Akten finden …«
    »Überlass die Akten nur mir«, beruhigt Ellie sie. »Du kümmerst dich um die Kinderkrippe und das Labor.«
    »Das Labor?«, frage ich.
    »Natürlich«, erwidert sie. »Der Polizei soll schließlich keine halbe Tonne selbst gebrautes Zyankali in die Hände fallen.« Sie wendet sich an die anderen. »Geht mit Danny – wir brauchen jedes Ratsmitglied, um alle zusammenzutrommeln. Los!«
    »Zyankali?« Die Frage rutscht mir ungewollt heraus. Ich habe mich verraten. Aber … Zyankali! Kelly hatte recht, sie haben Chemikalien gestohlen. Ellie blickt mich an, spürt meinen Schreck, und ich sehe das Ende meines Versteckspiels voraus. Was haben sie mit einer halben Tonne Zyankali vor?
    »Das scheint dich zu überraschen«, sagt Ellie. Sie mustert mich. »Du scheinst fast … betroffen.«
    Sie hat mich ertappt. Ich muss sie überzeugen. »Nicht betroffen«, widerspreche ich rasch. »Nur überrascht, dass … dass ihr so viel herstellen konntet. Ich war besorgt, Brandons Tod bei der ChemCom habe den Nachschub unterbunden.«
    »So war es auch«, entgegnet Ellie. »Aber ich glaube, wir haben genug davon.« Damit wendet sie sich ab, anscheinend ist sie mit der Antwort zufrieden, und führt mich in den nächsten Raum. Dort sitzen drei Leute auf einem Sofa und starren teilnahmslos eine Pappschachtel an, auf die jemand unbeholfen ein menschliches Gesicht gemalt hat, als hätte ein Kind sich einen Fern­seher gebastelt. Als Ellie sie betont munter anspricht, erinnere ich mich an Lindas Therapiesitzungen. »Es wird Zeit! Steht alle auf – ja, gut so, steht auf. Kommt mit.« Sie hilft ihnen, nimmt sie nacheinander bei der Hand und zieht sie hoch. Die drei bewegen sich steifbeinig und starren teilnahmslos die Wände an. Einer zuckt hin und wieder. »Sie sind neu«, erklärt Ellie mir flüsternd, als sie mich nach draußen begleitet. »Es gibt Dutzende wie sie. Alle kämpfen noch mit dem Prozess. Sie brauchen sogar beim Essen Anleitung.«
    Die Straßen des nachgeahmten Vororts sind voller Menschen. Eine Hälfte der Einwohner führt die andere, es ist eine chaotische, dumpfe Herde. Ellie murmelt verstimmt vor sich hin.
    »Ich mache dir keine Vorwürfe, dass die Polizei hinter dir her ist, Ambrose. Aber hättest du nicht zu einem günstigeren Zeitpunkt kommen können?«
    Ich muss die Antworten finden. So nehme ich den ganzen Mut zusammen und sage den entscheidenden Satz. »Erzähl mir etwas über den Prozess.« Wieder wirft Ellie mir einen scharfen Blick zu, und ich spreche rasch weiter, um ihr Misstrauen zu zerstreuen. »Was habt ihr inzwischen getan, um ihn zu verfeinern?« Wenn sie mir etwas über Veränderungen erzählt, lässt sich vielleicht zusammenreimen, worum es überhaupt geht, und dann weiß ich auch, wie ich eingreifen kann.
    Ellie überlässt die drei menschlichen Marionetten einem anderen Ratsmitglied und winkt mir, ihr zu folgen. Wir gehen zur Kinderkrippe.
    »Als das Desaster mit Cerny uns dazu zwang, waren wir für das Brutprogramm eigentlich noch nicht bereit«, berichtet sie. »Es hat jedoch so gut funktioniert, dass wir trotzdem mehr oder weniger im Plan sind. Sieh selbst.«
    Ellie öffnet die Tür zur Kinderkrippe, damit wir eintreten können. Wie auf dem ganzen Gelände gibt es auch hier keine Elektrizität, doch sogar im schwachen Licht, das von der Tür hereinfällt, erkenne ich sie: Reihe um Reihe Schlafstätten, von Wiegen bis zu Betten in voller Größe, erstrecken sich an den Wänden und verlieren sich im dunklen Hintergrund. In jedem Bett entdecke ich ein kleines Kind, das schläft, unter Beruhigungsmitteln steht oder im Koma liegt – genau kann ich es nicht sagen. In den Armen stecken Infusionsnadeln,
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