Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst
Autoren: Dan Wells
Vom Netzwerk:
nicht da sind, wir können ihm nicht trauen. Ohne Lucys Hand weiß ich nicht, was ich mit den Armen anfangen soll, also lasse ich sie einfach an den Seiten hängen. Viel zu steif, das wirkt unnatürlich. Ich verschränke sie vor der Brust, halte sie wieder nach unten.
    »Ambrose?« Ellie will mich auf die Probe stellen. Wie viel weiß sie bereits? Wie viel von ihm ist Vanek, wie viel ist noch Michael? Verzweifelt werfe ich Lucy einen Blick zu. Da mich inzwischen alle anstarren, kann ich nicht einmal mehr mit ihr reden. Muss ich überhaupt reden, da ich sie doch im Kopf habe?
    Hilf mir.
    Sie breitet die Arme aus und hebt die Schultern. »Das kann ich nicht. Ich weiß rein gar nichts darüber.«
    Ich auch nicht.
    »Nein, du nicht, aber er.« Lucy deutet auf Vanek, der vorn im Raum steht.
    Vanek. Was haben Sie im Auto getan?
    »Darüber reden wir später noch ausführlich«, sagt er. »Alles wartet auf Sie.«
    Ich löse mich von der Wand und gehe nach vorn. Langsam, um Zeit zu gewinnen.
    Ich will das nicht.
    »Sie müssen«, drängt mich Vanek. »Wissen Sie, was Phase vier bedeutet?«
    Natürlich nicht. Ich gehe noch langsamer. Phase drei hat etwas mit den Kleinkindern zu tun. War ich ein Teil von Phase drei? Nein, so lange ist es noch nicht her. Peter sprach darüber, als hätte er es nicht selbst beobachtet. Ich war ein Teil von Phase zwei oder sogar von Phase eins.
    »Phase zwei«, erklärt Vanek. Ich komme vorn an und wende mich zu den Zuschauern um, Ellie und Vanek stehen links und rechts neben mir.
    »Sie warten«, sagt er. »Nun erzählen Sie schon.«
    Vanek, Sie wissen doch, dass ich das nicht kann.
    »Dann überlassen Sie es mir.« Er lächelt selbstgefällig und zufrieden.
    Genau das wollten Sie erreichen – mein Bewusstsein kontrollieren.
    »Wenn Sie sich weigern, werden Sie als Schwindler entlarvt und getötet. Oder Schlimmeres.«
    »Ambrose?«, drängt Ellie.
    »Moment noch«, sage ich. »Ich denke nach, wie ich es am besten formuliere.«
    »Erinnere dich an den Polizisten«, sagt Lucy. »Er kann reden, ohne dich zu kontrollieren.«
    Woher weiß ich, dass Sie uns nicht beide verraten?
    »Wenn Sie sterben, dann sterbe ich auch«, erwidert er. »Glauben Sie mir – hätte ich eine Möglichkeit gefunden, Ihnen zu entfliehen, indem ich Sie umbringe, dann wären Sie schon längst tot.«
    Ich starre Lucy an und wage nicht, nach links und rechts zu blicken.
    »Stimmt etwas nicht?«, fragt Ellie.
    »Phase eins hätte uns fast umgebracht«, erklärt Vanek den Zuhörern. Alle beobachten mich hingerissen. »Phase eins lehrte uns, dass es zu lange dauert und uns allzu sehr lähmt, wenn wir uns Erwachsenen aufprägen. Zum Glück haben wir einen Humanoiden leer gelassen, der sich um die Toten kümmerte, sonst wären wir verhungert. Eliska und ich haben uns in dieser Phase mit Cerny und anderen zusammengetan.«
    Einen Humanoiden. Was sind sie dann, wenn sie keine Menschen sind? Ich denke an die Made, schaudere und verdränge das Bild gleich wieder. Es muss etwas anderes sein. Die Maden sind nicht real. Das kann nicht sein.
    »Das wissen sie doch alles schon«, wendet Ellie ein.
    »Gönn mir den Auftritt!«, bittet Vanek. »Ich habe diesen Plan ersonnen und bin sehr stolz darauf. Je mehr ich rede, desto besser wird außerdem meine Kontrolle über diesen schizophrenen Fleischbeutel.« Er wendet den Kopf und mustert mich von der Seite. »Den letzten Satz haben sie nicht gehört, das war nur für Sie bestimmt.«
    Wie wollen Sie mich kontrollieren, wenn ich mich kaum selbst kontrollieren kann?
    »Phase zwei waren die Babys«, fährt Vanek fort. »Je mehr wir über die menschliche Physiologie gelernt haben, desto klarer wurde uns – nein, vor allem mir –, dass die Gehirne von Kindern leichter formbar und offener für den Aufbau der Strukturen sind, die wir benötigen, um sie zu steuern. Der Prozess dauert dadurch zwar länger, aber die Ergebnisse sind besser und vollständiger. In Phase zwei waren die meisten Subjekte neu, doch ich reihte mich noch einmal ein, weil ich dachte, eine neue, bessere Verbindung sei den Aufwand wert. Ihr glaubt gar nicht, wie oft ich diese Entscheidung bereut habe.«
    »Aber jetzt geht es dir gut?«, fragt Ellie.
    Ich nicke und entreiße Vanek die Kontrolle. »Es ist nur …« Was kann ich sagen? Lucy steht hinten im Raum und lächelt mich aufmunternd an. »Ich muss erst so vieles aufnehmen«, erkläre ich. »Ich war seit Phase zwei nicht mehr hier, und zu sehen, wie weit ihr ohne mich gekommen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher