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„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)

„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)

Titel: „Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)
Autoren: Klaus Gunschmann
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mir klar, was für ein Spinner er eigentlich war. Er versuchte, statt beide Hände zu gebrauchen, mit nur einer Hand ein Streichholz an der Reibefläche der Zündholzschachtel, die er sich zwischen die Knie geklemmt hatte, anzuzünden, was ihm natürlich nicht gelang. Seine hautenge Stretchhose fing schließlich Feuer am linken Oberschenkel und sein Plastikgürtel wurde angekokelt, eine Eigenkreation aus zusammengedrehten Mülltüten und Puppenköpfen. Mit meinem Orangensaft löschte ich das Feuer in Giannis Lendengegend.
    Gianni hatte im Laufe der Zeit das Aussehen eines Hermaphroditen angenommen. Alle dachten, er sei schwul, und Gianni glaubte es inzwischen auch. Er war total auf Sex gepolt. Als wir eines Sommers mit dem ganzen Team einen Ausflug an den Ammersee machten und abends in einem kleinen Gasthof übernachteten, gab er mir zu verstehen, dass in seinem Zimmer noch ganz viel Platz sei. Was für ein Zufall aber auch! Als wir abends todmüde aufs Zimmer gingen, wurde der Zufall zum Kalkül: Das Bett war schon für einen ziemlich schmal. Nun waren wir vom Vorabend im P1 noch so müde und fertig, dass ich mich einfach hinlegte. Gianni drückte sich in der Löffelchen-Stellung an mich, ganz nah. Ich starrte auf dem Rücken liegend an die Decke, als mir Gianni ins Ohr flüsterte, dass ich meine Hose doch nun wirklich ausziehen könnte, es sei doch so warm unter dem rot-weiß-karierten Federbett. Das war dann der Punkt, bei dem ich aus dem Bett kletterte und den Fernseher einschaltete: knallbunte Musikvideos auf MTV, »Boom! Shake the room« von DJ Jazzy Jeff & The Fresh Prince, danach endloses Gequassel von Steve Blame und Ray Cokes. Ich schlief im Ohrensessel vor dem Fernseher ein. Mein Rücken »dankte« es mir.
    In seinem früheren Leben war Gianni Pizzabäcker, Autoverkäufer, trug Mädchenslips und sagte immer zu seinen Eroberungen, wenn es um die Wurst ging, so Sachen wie : »Hier kommte de Mause!« Er war das, was man extrovertiert nannte. Natürlich wohnte er noch bei seiner Mutter, die im Münchner Westend in einem Apartment über ihrem kleinen Elektroladen wohnte. Dort hatte »la mamma« das Sagen und sobald Gianni aus dem Haus war, suchte er den Weg auf die Bühne, egal, wo diese gerade war. Dabei wurde er immer wieder Opfer der skurrilsten Vorfälle. Einst hatte er aus Berlin für einen Freund ein Päckchen auf dem Flug nach München mitgenommen; er dachte, es seien Blumensamen für das Grab der Oma seines Bekannten. Die Flughafenkontrolle sah die Sache etwas anders und wir mussten tausend Mark Kaution für ihn hinterlegen, damit er nach Hause durfte.
    Er stammte aus einem kleinen Dorf auf Sizilien. Ich konnte mir den Namen nicht merken, jedenfalls liegt es irgendwo vor Palermo. Sein Vater war angeblich in den Sechzigern Mitglied der Cosa Nostra, Gianni aber hatte nichts von einem Mafioso an sich. Abgesehen davon, dass er mit seiner Mutter zusammenwohnte, fuhr Gianni einmal im Jahr, immer kurz vor Ostern, in das kleine sizilianische Kaff, um seinen Onkel zu besuchen, der dort eine kleine Strandbar betrieb. Einmal hatte er Kurt und mich mitgenommen, und wir erkannten Gianni fast nicht wieder, so cool und selbstsicher wie er in seiner Heimat auftrat. Man muss dazusagen, dass Gianni mit einsachtzig für einen Sizilianer relativ groß war und außerdem sehr dünn, fast schon hager. Seine kurz geschorenen Haare ließen ihn eher wie ein Totenkopfäffchen als wie einen prächtigen Sizilianer aussehen. Dazu kam sein durchgeknallter Spleen, verschiedenste Klamotten völlig wirr zusammenzustellen, sodass letztendlich ein für ihn typisches Outfit herauskam.
    Als wir am ersten Abend unseres Urlaubs in Sizilien ausgingen, hatte er einen Trachtenjanker über ein Blondie-Shirt gezogen, als Hose trug er eine undefinierbare Mischung aus Boxershorts und Knickerbocker, Schuhe hatte er gar keine an, er ging barfuß. Er brachte uns in die angesagte Dorfdisco, die sich an der Steilküste in einer Art Felsengrotte versteckte. Alle Männer dort hatten eine Sonnenbrille auf und Slipper mit Bommeln an. Wir bestellten uns einen Limoncello und tranken erst mal auf den Namen des Clubs: La Dolce Vita. Wie süß das Leben in dieser Nacht noch sein sollte, erfuhr ich im Männerklo, das aussah wie eine Tropfsteinhöhle, und dessen Boden patschnass war. Kaum stand ich mit dem Gesicht zur Felswand und versuchte nun, nach etwa fünf Schnäpsen in das kleinste Urinal der Welt zu zielen, sah ich mich von zwei Spagallos vor der Latrine
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