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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)
Autoren: Jochen Missfeldt
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war in den kräftigsten Zeiten seines Wirkens der angesehenste Mann in Stadt und Land, schreibt Storm noch drei Jahrzehnte später an Emil Kuh.
    Das war der tüchtige und rechtschaffene Anwalt Johann Casimir Storm durch seine Geradheit und Standfestigkeit, seine Treue zu eigenen Überzeugungen, sein Empfinden für Tradition in Familie und Gesellschaft und überlieferte Ordnung. Dazu gehörten auch sein Herzogtum Schleswig und der dänische König, sein oberster Landesherr. Dazu gehörte auch seine deutsche Sprache. Der nationale Wind, der zu seiner Zeit auch in und um Husum her-
um immer kräftiger blies, schied Dänisches und Deutsches, das lange friedlich nebeneinanderher gelebt hatte. Deutsch fühlende Schleswig-Holsteiner betonten nun immer mehr das Deutsche, so wie dänisch fühlende Schleswig-Holsteiner immer mehr das Dänische betonten. Als im März 1848 die Husumer Schuljugend mit diesem Zweizeiler durch die Straßen zog: Ritsch, ratsch, rideldum, / De Frischärlers bringt de Dänen um!, da war Johann Casimir sicherlich froh, wenn er in seiner dunklen Advokatenhöhle redlicher Arbeit nachgehen konnte. Als im Oktober 1849 Husumer Bürger gegen die »Landesverwaltung als eine ungesetzliche Gewalt« schriftlich protestierten, hat Johann Casimir nicht unterschrieben, Sohn Theodor aber steht da zu Buche mit »Woldsen-Storm, Advokat« unter dem Protestschreiben der zweihundertvierundfünfzig Unterzeichnenden. Johann Casimir schreibt anderthalb Jahrzehnte später an seinen Sohn: Von einem Kriege erhoffe ich nichts, fürchte aber nach den bisherigen Erfahrungen alles .

Die Familie
    Für Johann Casimir stand die Familie ganz oben an. Auch da musste alles seine Ordnung haben. Vater Storm kommt im Rückblick des Sohnes nicht gut weg, denn er hat uns und seiner so sehr geliebten Frau doch oftmals weh getan. Nach dem Gesetz war Johann Casimir als Familienoberhaupt so etwas wie ein Disziplinarvorgesetzter für Ehefrau, Kinder und Gesinde. Er durfte von ihnen Folgsamkeit verlangen und seine Untertanen bestrafen und begnadigen. Mit dem Eheversprechen gab die Ehefrau alle Rechte in die Hand des Ehemannes. Sie diente dem Mann, und alles, was sie tat, tat sie in seinem Auftrag. Auch die Kinder musste sie im Sinne des Vaters erziehen. Sein Erziehungsrecht schloss auch die Berufswahl für die Kinder ein. Wer nicht hören wollte, den konnte er mit dem Stock – Waffen waren ausdrücklich verboten – fühlen lassen.
    Wie aber sah die Wirklichkeit in Johann Casimirs Familie aus? Sicher ist ihm mal die Hand »ausgerutscht«, denn er hatte ein jähzorniges Temperament, das auch Erbteil seines Sohnes Theodor werden sollte. Storm beklagt, sein Vater sei ein Mann ohne jeden Humor gewesen. Hier dürfen Zweifel angebracht sein, denn Vater Storm verfügte sehr wohl über eine gewisse Portion Hintersinn und Humor. Wenn er seinen Geburtstag am 26. April im Familienkreis feierte, war er an diesem Tage immer besonders heiter , schreibt die Enkelin Gertrud Storm. Die Geburtstagsgesellschaft verzehrte einen Puter, den ein Freund des Großvaters jedes Jahr von der Insel Nordstrand schickte; den beiliegenden Begleitbrief begann der gebefreudige Mann stets mit den Worten »Anbei ein Huhn«. Das war für Vater Storm immer Stoff für vergnügliche Stunden.
    Er war nicht gefühllos, aber er mochte sich nicht von seinen Gefühlen überwältigen lassen. Das geschah hin und wieder doch, wie eines Abends: Beim Abendessen brachte der alte Mann bewegten Herzens einen Trinkspruch auf Kinder und Eltern aus […]. Dabei übermannte ihn die Rührung so, dass er die Tränen nicht zurückzuhalten vermochte. Sein Sohn Theodor setzte sich ans Klavier und begann zu spielen, um die Rührung zu verdecken .
    Ich entsinne mich nicht , schreibt Storm über seine Eltern, daß ich derzeit jemals von ihnen umarmt oder gar geküßt worden. Gleichzeitig aber erklärt er: Wir im Norden gehen überhaupt nicht oft über den Händedruck hinaus. Das klingt, als wenn er sich selber den Zurückhaltenden und Sparsamen zugeordnet hätte. In Wahrheit ist körperliche Nähe Storm lebenslang wichtig gewesen. Er fühlte sich schnell abgewiesen und gekränkt. Menschliche Zu- und Abwendung registrierte er bis zuletzt überempfindlich, hypochondrisch. Er beklagt über fehlende Elternnähe. Für Umarmen und Küssen, Schmusen und Streicheln verteilt er die Note »mangelhaft«. Ist aber tatsächlich alles mangelhaft gewesen? Das darf bezweifelt werden.
    Natürlich ging die Schilderung der
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