Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du findest mich am Ende der Welt

Du findest mich am Ende der Welt

Titel: Du findest mich am Ende der Welt
Autoren: Nicolas Barreau
Vom Netzwerk:
mindestens genausoviel Schuld
trifft, und dafür möchte ich Ihnen danken, auch wenn Sie im Moment sicherlich
nicht einmal wissen, wovon ich spreche.
    Nun werden Sie sich fragen, wer Ihnen da
schreibt. Allein, ich werde es Ihnen nicht sagen. Noch nicht.
    Schreiben Sie mir zurück, Lovelace, und
versuchen Sie es herauszufinden! Es könnte sein, daß ein amouröses Abenteuer
auf Sie wartet, welches Sie zum glücklichsten Mann macht, den Paris jemals
gesehen hat.
    Aber ich muß Sie warnen, lieber Duc. So
leicht wie andere bin ich nicht zu haben.
    Ich fordere Sie also heraus zum zärtlichsten
aller Duelle und bin gespannt, ob Sie diese kleine Herausforderung annehmen.
(Ich möchte meinen kleinen Finger darauf verwetten, daß Sie es tun!)
    In Erwartung Ihrer Antwort verbleibe ich
    mit den besten Wünschen,
    Die Principessa

4
    Â»Wunderbar durcheinander« – dies sind
wohl die Worte, die am treffendsten beschreiben, wie ich mich für den Rest des
Tages fühlte.
    Ich war nicht in der Lage, mich auf irgend etwas
zu konzentrieren – nicht auf den Taxifahrer, der ungeduldig wurde, nachdem ich
auch auf sein zweites » Nous sommes là, Monsieur , wir sind da!« nicht
reagiert hatte, nicht auf Monsieur Tang, der mit fernöstlicher Geduld auf einem
der Gleise mit den schönen Kugellampen wartete und freundlich lächelte, als ich
zehn Minuten zu spät in die Gare du Nord stolperte, nicht auf das deliziöse
Mittagessen, das ich mit meinem chinesischen Gast im Le Bélier einnahm, meinem
Lieblingsrestaurant in der Rue des Beaux-Arts, wo man in roten Samtsesseln und
in wahrhaft fürstlichem Ambiente ißt und die Speisekarte in ihrem
minimalistischen Understatement mich jedesmal aufs neue begeistert.
    Auch an diesem Tag hatte man die
Wahl zwischen » la viande«, dem Fleisch, »le
poisson« , dem Fisch, » les légumes «, dem
Gemüse und »le dessert« , dem Nachtisch. Einmal hatte ich als Vorspeise sogar schlicht und
ergreifend » l’œuf «, das Ei gewählt und das sehr sophisticated gefunden.
    Die Übersichtlichkeit und Qualität der Speisen überzeugten auch
meinen chinesischen Freund, der sich anerkennend äußerte und mir dann
begeistert über den boomenden Kunstmarkt im Land des Lächelns erzählte und von
seinem letzten »Coup« in einem belgischen Auktionshaus schwärmte. Monsieur
Tang, ist das, was man einen collectionneur compulsif nennt,
und ich hätte mich wirklich etwas mehr ins Zeug legen können. Statt dessen
schob ich zerstreut meine légumes auf dem Teller
herum und fragte mich, warum nicht alles im Leben so einfach sein konnte, wie
die Menu-Karte im Le Bélier.
    Immer wieder kehrten meine Gedanken zu dem rätselhaften Schreiben
zurück, das zusammengefaltet in meiner Jackentasche steckte. Noch nie hatte ich
einen solchen Brief erhalten, einen Brief, der mich gleichermaßen provozierte
und berührte und der mich – um es mal in der Sprache der Principessa zu sagen –
in unaussprechliche Verwirrung stürzte.
    Wer, zum Teufel, war diese Principessa, die mir mit zärtlichen
Worten die wunderbarsten amourösen Abenteuer in Aussicht stellte und mich
zugleich maßregelte wie einen kleinen Jungen und mit »den besten Wünschen« auf
eine Antwort von mir wartete?!
    Als Monsieur Tang aufstand und sich mit einer kleinen Verbeugung in
meine Richtung für einen Moment entschuldigte, um die Örtlichkeiten des
Restaurants aufzusuchen, nutzte ich die Gelegenheit, um den himmelblauen Brief
noch einmal aus meiner Tasche hervorzuziehen. Wieder vertiefte ich mich in die
Zeilen, die mir inzwischen schon so vertraut vorkamen, als hätte ich sie selbst
geschrieben.
    Ein leises Scharren ließ mich zusammenzucken wie einen Dieb, der
beim Klauen erwischt wird. Monsieur Tang, der lautlos wie ein Tiger
zurückgekehrt war, rückte seinen Sessel zurecht, und ich lächelte ertappt,
faltete die Briefbögen rasch zusammen und steckte sie in meine Jackentasche.
    Â»Oh, bitte verzeihen Sie.« Monsieur Tang schien unglücklich über
seine vermeintliche Indiskretion. »Ich wollte Sie nicht stören. Bitte, lesen
Sie doch zu Ende.«
    Â»Aber nein, aber nein«, entgegnete ich und grinste schafsköpfig. »Es
ist nur … Meine Mutter hat geschrieben … Ein Familienfest …« Meine Güte, was
für einen Schwachsinn erzählte ich da? Ein gütiger Gott
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher