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Dshamila

Dshamila

Titel: Dshamila
Autoren: Tschingis Aitmatow
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Lebens nichts anderes als Fuhrmann gewesen, prüfte sie ihren Wagen, wobei sie sich durch ein paar Fußtritte davon überzeugte, daß die Räder richtig auf den Achsen saßen.
    Danijar und ich ritten auf sie zu. Unser Anblick erregte ihre Heiterkeit. Danijars lange, magere Beine staken in weitschäftigen Kirgisenstiefeln, die jeden Augenblick herabzufallen drohten, und ich trieb das Pferd mit nackten schwarzen Fersen an.
    „Ihr seid mir ja ein schönes Paar!" rief Dshamila fröhlich. Und ohne Zögern kommandierte sie: „Nun mal ein bißchen lebhaft, damit wir vor der Hitze die Steppe hinter uns haben!"
    Sie nahm die Pferde am Zaum, führte sie mit sicherer Hand zum Wagen und spannte sie ein. Ganz allein tat sie das, nur einmal fragte sie mich, wie man die Zügel anlegt. Von Danijar nahm sie überhaupt keine Notiz, als wäre er gar nicht da.
    Die Entschlossenheit und das herausfordernde Selbstvertrauen Dshamilas setzten Danijar offensichtlich in Erstaunen. Er sah sie unfreundlich, doch gleichzeitig mit versteckter Bewunderung an, die Lippen abweisend aufeinandergepreßt. Schweigend nahm er einen Sack mit Getreide von der Waage und trug ihn zu seinem Wagen. Doch da trat ihm Dshamila in den Weg.
    „Was denn, soll sich jeder allein abschinden? Nein, mein Lieber, das ist nicht das Rechte! Gib mir mal deine Hand! He, Kitschine-bala, was guckst du in die Luft, steig auf den Wagen und verstaue die Säcke!"
    Dshamila ergriff Danijars Hand, und sie trugen den Sack gemeinsam auf den verschlungenen Händen. Der arme Danijar errötete vor Scham und Verlegenheit. Jedesmal, wenn sie einen Sack brachten, wenn sie sich fest bei den Händen hielten und ihre Köpfe sich fast berührten, sah ich, wie quälend peinlich Danijar das war; er biß angespannt auf seine Lippen und bemühte sich, Dshamila nicht anzusehen. Ihr hingegen machte das nichts aus. Sie schien ihren Partner gar nicht zu bemerken und scherzte mit der Frau an der Waage. Als schließlich die Fuhrwerke vollgeladen waren und wir die Zügel in die Hand nahmen, blinzelte sie spöttisch-verschmitzt und sagte lachend: „Na, Danijar, wie ist's? Du bist doch wohl ein Mann, fahr du als erster!" Danijar setzte sich mit seinem Gespann schweigend in Bewegung. O, du Jammerlappen, schüchtern bist du also auch noch! dachte ich.
    Wir hatten einen weiten Weg vor uns. Er führte etwa zwanzig Kilometer durch die Steppe und durch die Schlucht bis zur Bahnstation. Glücklicherweise ging es bis unmittelbar zum Ziel immer leicht bergab, so daß es die Pferde nicht schwer hatten. Unser All lag am Hang der Großen Berge und zog sich längs des Flusses bis zu den Schwarzen Bergen hin. Seine dunkel schimmernden Baumgruppen sah man bis zur Einfahrt in die Schlucht.
    Am Tag schafften wir nur eine Fahrt. Wir fuhren morgens ab und erreichten den Bahnhof nach Mittag.
    Die Sonne brannte unbarmherzig, und auf der Verladestation war kaum durchzukommen, es wimmelte von säckebeladenen Wagen und Karren aus der Ebene, von hochbepackten Maultieren und Ochsen aus fernen Gebirgskolchosen. Halbwüchsige Jungen oder die Frauen der Frontsoldaten hatten sie hergebracht, braungebrannte Gestalten in ausgebliebenen Kleidern, mit bloßen Füßen, wund von den Steinen am Wege, und blutigen, von der Hitze und vom Staub aufgesprungenen Lippen. Am Tor der Getreideerfassungsstelle hing ein verschossenes Tuch mit der Aufschrift: „Jede Ahre für die Front!" Im Hof drängten und stießen sich schreiend die Kutscher und Viehtreiber. Nebenan, hinter einer niedrigen Mauer aus Saman, rangierte eine Lokomotive; sie stieß dichte Dampfwolken aus und verbreitete den Dunst glutheißer Schlacke. Mit ohrenbetäubendem Gedröhn ratterten Züge vorüber. Die speichelnassen Mäuler aufreißend, brüllten die Kamele zornig und verzweifelt. Sie lagen auf der Erde und wollten sich nicht erheben. Unter einem heißen Blechdach lagerte ein riesiger Haufen Getreide. Man mußte die Säcke über einen hölzernen Laufsteg bis unmittelbar unter das Dach hinaufschleppen. Der Getreidestaub und die drückende Schwüle benahmen einem den Atem.
    „He, paßt auf!" brüllte unten der Abnehmer, dessen geröteten Augen man ansah, daß er lange nicht geschlafen hatte. „Die Säcke müssen bis nach oben, ganz rauf!" Er drohte mit der Faust und ließ eine Schimpfkanonade vom Stapel.
    Weshalb regte er sich auf? Wir wußten doch selbst, wo wir das Korn hinzutragen hatten, und wir wollten uns auch gar nicht davor drücken; schließlich brachten wir es von
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