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Druidenherz

Druidenherz

Titel: Druidenherz
Autoren: Isabel Ness
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nach fünfundzwanzig Lebensjahren alles durch die Hände zweier Irrer – denn dass diese beiden vollkommen verrückt waren, stand außer Frage.
    Schwarze Punkte begannen vor ihren Augen zu tanzen. Erst waren es nur wenige, doch dann wurden sie immer zahlreicher, bis sie nichts mehr sah und sich in diese Schwärze hineinfallen ließ, viel zu erschöpft, um dagegen anzukämpfen.
    Der Schmerz war immer noch da. Wie ein rasendes Raubtier wütete er in ihrem Arm und dem verletzten Unterschenkel. Imogen blinzelte. Ihre Zunge klebte am Gaumen, und der Kopf war so schwer, als hätte sie eine ganze Nacht mit billigen Mixgetränken durchgefeiert. Kälte umgab sie – so intensiv, dass sie ihre Zehen und Fingerspitzen kaum noch spürte. War es hier so kalt, oder kam die Kälte aus ihr selbst? Ein bisschen fühlte sie sich, als hätte sie Schüttelfrost. Doch wenn sie sich bewegte, schoss so grässlicher Schmerz durch ihren ganzen Körper, dass sie erst gar nicht weiter versuchte, die Beine enger an den Körper zu ziehen.
    Aber offensichtlich lebte sie noch.
    Langsam hob sie den Kopf und versuchte zu erkennen, wo sie sich befand. Nicht in einem Krankenzimmer, das war sicher. Die Decke und die Wände waren dunkel, ebenso der harte Boden, auf dem sie lag. Davor stand ein Gitter aus Holz, etwa einen Meter achtzig hoch. Wie ein Käfig. Natürlich, die beiden Verrückten! Wer sonst sollte sie hier eingesperrt haben? Aber wer hatte einen Käfig in einem Zimmer? Das war doch vollkommen krank!
    Vorsichtig drehte sie den Kopf und erkannte den kleinen Blassen. Im Schneidersitz saß er neben einem Feuer auf dem Boden und spielte mit dem Henkel ihrer Handtasche. Sein Gesichtsausdruck hatte etwas Verschlagenes, aber sie erkannte auch Neugier in den nur schwach ausgeprägten Zügen. Immer wieder ließ er den Tragegurt durch seine dünnen Finger gleiten, bestaunte ihn und zog an dem Verschluss, mit dem man die Länge des Gurts regulieren konnte.
    Imogens Herz tat einen Satz. Das konnte die Rettung sein! In der Tasche befand sich ihr nagelneues Handy. Eigentlich hatte sie sich das teure Gerät gar nicht leisten können, es sich aber schon so lange gewünscht. Und dann war sie schließlich doch schwach geworden, als sie wieder einmal am Schaufenster des Telefonshops vorbeigekommen war. Tante Mable hatte ein bisschen Geld dazugegeben und ihr dabei das Versprechen abgenommen, sich regelmäßig aus Schottland zu melden. Natürlich gab es auf dem Hotelzimmer ein Telefon, aber mit dem Handy war sie unabhängiger. Zudem, so hatte Tante Mable gesagt, wäre sie viel ruhiger, wenn sie wüsste, dass Imogen bei ihren geplanten Streifzügen durch die Highlands jederzeit die Polizei oder einen Krankenwagen rufen könne. Imogen hatte entgegnet, dass auch die Highlands nicht vollkommen einsam waren und es Dörfer und Gehöfte gab. Aber natürlich hatte Tante Mable dennoch darauf bestanden, dass Imogen das Telefon immer bei sich trug.
    Nun war sie froh darum. Wenn sie an ihre Tasche herankam, würde sie Hilfe rufen können. Und selbst wenn es ihr nicht gelang, würde das Handy ihre Retter zu ihr führen, denn man konnte das Gerät orten. Wenn Tante Mable sie also vermisste und die Polizei einschaltete, würde man sie finden können. Sicher würde sich ihre Tante bald Sorgen um sie machen und dann feststellen, dass sie nicht ins Hotel zurückgekehrt war. Bestimmt würde Tante Mable alles tun, um sogleich eine Suchaktion auszulösen. Imogen musste nur noch eine Weile durchhalten. Sie hatte ihrer Tante versprochen, sich nach ihrer Ankunft zu melden und regelmäßig von sich hören zu lassen. Gestern hatte sie, kaum dass sie das Hotelzimmer betreten und der Page ihre Koffer abgestellt hatte, kurz bei Tante Mable angerufen. Aus Gewohnheit hatte sich Imogen mit »Bis morgen!« verabschiedet, wie sie es auch immer getan hatte, wenn sie auf einer Klassen-oder Studienfahrt gewesen war und allabendlich zu Hause anrief. Also ging Tante Mable sicher davon aus, dass sie sich heute melden würde.
    Wie spät war es? Imogen sah auf ihren linken Arm und stellte fest, dass sie ihre Uhr nicht mehr trug. Hatte sie sie schon verloren, als sie in dieses unterirdische Verlies geraten war, oder hatte einer der beiden Verrückten sie ihr abgenommen? Zuzutrauen wäre es ihnen, auch wenn die Uhr alles andere als wertvoll war. Zumindest die Kleidung hatten sie ihr gelassen. Kein Wunder, so wie das Top und die Hose aussahen. Sie konnte froh sein, so beschmiert mit Blut, Schmutz und
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