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Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Autoren: Waldemar Hartmann
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Showgeschäft, in jeder Hinsicht.
    Aber zurück zum jungen Waldi. Der nächste große Einschnitt bahnte sich an. Mit vierzehn ging ich zur Ferienarbeit, zunächst bei der Nürnberger Werkzeugfabrik Nüral. Seitdem weiß ich, was Inbusschlüssel und 16 er-Schrauben sind. Dafür gab es die erste selbst verdiente Kohle meines Lebens. Davon habe ich mir ein neues Fahrrad gekauft und bin zur großen Radtour aufgebrochen, 1300 Kilometer an den bayerischen Seen entlang. Alleine zu radeln hat mir nichts ausgemacht. Trotz aller Lust auf die große Bühne und aufs große Publikum – ich war immer gern auch allein, mir ist als Einzelgänger nie langweilig geworden.
    Den zweiten Ferienjob hatte ich dann im Milchhof Nürn berg, was wahrscheinlich meine lebenslange Abneigung gegen alle Milch-, Quark-. und Joghurtdiäten dieser Welt erklärt. Dort war ich Milchtütenabfüller, eine wahrlich aufregende Auf gabe. Wobei: Wir haben das Beste daraus gemacht. Irgendwann habe ich mit zwei Kumpels, die ebenfalls dort gejobbt haben, eine Quarkschlacht veranstaltet. In der Mittagspause haben wir mit Viertelpfund-Quarktüten aufeinander geworfen wie beim Paintball. Wenn die Tüten getroffen haben, sind sie aufgeplatzt, das war eine beeindruckende Sauerei.
    Leider kam der Käsereimeister früher als erwartet zurück. Wir mussten alles picobello sauber machen und wurden für den Rest der Ferien strafversetzt – zum Reinigen der zurück gegebenen Milch- und Kakaopfandflaschen. Überall war saure Milch drin, es war buchstäblich zum K…, das Grauen schlecht hin! Saure Milch riecht ja schon furchtbar – ist aber das reinste Parfum gegen sauren Kakao. Es stank gnadenlos, mir wird heute noch schlecht, wenn ich nur daran denke. Jeder Ansatz von saurer Milch ist seitdem für mich der pure Horror. Deshalb habe ich nie Quark oder so saures Zeug ge gessen. Ein Werbeangebot von Müllermilch für Joghurt müsste ich rundweg ablehnen, und wenn es noch so lukrativ wäre. Das wäre so unglaubwürdig wie ein hoher Kirchenmann in der Kondomreklame. Obwohl …?
    Dass mir öffentliche Auftritte unheimlich Spaß machen, habe ich zu dieser Zeit auch schon gemerkt, bei Auf führungen mit vierzehn oder fünfzehn im Theater der Jugend am Städtischen Schauspielhaus in Nürnberg. Gegeben wurde das Erich-Kästner-Stück Emil und die drei Zwillinge , und ich war der Gustav. Das war die Spaßrolle, die die Zuschauer toll fanden. Genau richtig für den jungen Waldi. Und als ich gesehen habe, dass das Schauspielhaus voll war und dass die Mädels, die Backfische, in der Überzahl waren, weil oft ganze Mädchengymnasien im Theater einfielen, war ich begeistert.
    Also habe ich geschaut, dass ich sofort nach der Premiere hinten zum Bühnenausgang raus bin, wo mein Fahrrad stand. Und mit dem Radl bin ich dann direkt vors Schauspielhaus gefahren – damit mich alle sehen. Das war der erste Drang ins Rampenlicht mit der klaren Erkenntnis: Das beeindruckt die Mädels, wenn der Star von der Bühne plötzlich vor ihnen steht. Und so bekommt man Kontakt mit denen. Mit anderen Worten: Ich war eitel wie ein Depp.
    Der Regisseur, ein leibhaftiger Regisseur des Schauspielhauses Nürnberg, sagte zu mir: »Schade, dass wir zwei Besetzungen haben. Weil, dich hätte ich gerne jedes Mal dabei.« Damals hatte ich richtig das Gefühl: Ist das toll! Viel besser als Schule! Eine gewisse Qualität als Rampensau, dieses Ich-scheiß-mir-nix-wenn-mich-alle-anschauen – die habe ich damals entdeckt. Das ist eine Qualität, die du vom lieben Gott mitkriegst. Entweder du magst es, oder du hasst es. Und ich mag’s einfach.
    Irgendwas musste dabei aber auch rausspringen, das war mir zeitlebens wichtig. Ordentliche Arbeit, ordentliche Entlohnung – eigentlich selbstverständlich. Monetär gab es damals noch nicht viel zu holen. Aber mir hat es schon gereicht, wenn ich mit meinem Fahrrad so langsam wie möglich am Schauspielhaus vorbeiparadiert bin – und drei Mädels gemerkt haben: »Das ist doch der Gustav!« Das hat mir die ersten größeren Glücksströmungen in Sachen Weiblichkeit verschafft, jetzt schon deutlich intensiver als bei Renate.
    Kurze Zeit danach landete das Fahrrad in der Ecke. Denn es gab das erste Moped, natürlich eine alte Zündapp, wie sich das gehörte. Damals sind wir aufs Reichssportgelände zum Bolzen gefahren, zu den Amis. Und dort hat mich dann der Club entdeckt! Der große Club! Endlich! Allerdings waren es nicht die Fußballer – sondern die Handballer. Auch gut. So
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