Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Autoren: Waldemar Hartmann
Vom Netzwerk:
Währung, die zählte, und wir waren ja nur eine Handvoll Kinder aus dem Westen. Alle anderen kamen aus dem Osten. Außerdem war ich Lagermeister im Weitsprung. Zusammengefasst: Jungpionier Waldi war der Held! Und Renate war ein wunderschönes Zonenmädchen aus der nahen und doch so fernen DDR , zwölf Jahre jung. Wir haben uns nur angeschaut, ich habe ihr eine Orange geschenkt, ich habe ihr eine Banane geschenkt. Das waren aber auch schon die Höhepunkte unserer Liebesbeziehung. Ab und zu hatte ich auch einen Kaugummi für sie, da ging es aber nur um die Berührung ihrer Hand, schweißnass wie meine. Wir haben nicht einmal miteinander geredet.
    Am Ende des Ferienlagers sind die Ostkinder mit dem Omnibus ein paar Stunden vor uns abgefahren. Renate saß am Fenster, sie hat gewinkt, ich habe gewinkt. Sie hat geheult, ich habe geheult. Im gleichen Jahr, 1960 , gab es bei uns in Nürnberg eine Konsum-Weihnachtsfeier, auf der eine Reporterin von Radio DDR auftauchte, bei uns, bei den Westk indern. Wir sollten ihr erzählen, wie großartig es im Ferienlager im schönen Osten war. Natürlich habe ich nur ge schwärmt. Und ich durfte einen Gruß durchsagen – an Renate R. aus Erfurt. Denn das hatte ich rausbekommen, wie sie genau heißt und wo sie herkommt. Daraufhin bekam ich den ersten Liebesbrief meines Lebens. Sie hatte meinen Gruß gehört. Ich habe ihr zurückgeschrieben, ohne Antwort. Und irgendwann war Renate vergessen, weil mittlerweile auch andere Mütter sehr schöne Töchter hatten, und das im Westen.
    Gesehen habe ich Renate nie mehr – bis Frank Elstner kam. Mein alter Freund Frank Elstner produzierte vor ein paar Jahren eine neue Sendung beim Saarländischen Rundfunk, Meine erste Liebe , moderiert von Michelle Hunziker und seinem Sohn Tim. Frank ruft mich also an: »Hör mal, würdest du da mitmachen?« Ich wollte nicht Nein sagen, war aber auch nicht unbedingt so riesig begeistert von dem Ganzen. Also dachte ich mir, ich stelle ihm eine Aufgabe, die er eh nicht lösen kann, und ich habe meine Ruhe. Thema erledigt. Also sagte ich ihm, meine erste große Liebe war 1960 Renate R. aus Erfurt. Viel Spaß beim Suchen, mein lieber Frank!
    Das Problem war: Er hat sie tatsächlich gefunden. Denn zwei Monate später kam sein Anruf: »Du, ich muss dir was sagen: Wir haben sie!«
    Ich dachte mir, hui, das gibt’s doch nicht! Aber ich kam aus der Nummer nicht mehr raus. Obwohl sich meine Sehnsucht nach Renate, mittlerweile nicht mehr in Erfurt, sondern in Magdeburg, in gut vier Jahrzehnten deutlich abgekühlt hatte.
    Frank zu mir: »Willst du sie noch mal sehen?«
    Ich zu Frank: »Naja …« Ich war damals gerade neu mit meiner späteren Frau Petra zusammen, da will man nicht un bedingt alte Geschichten wieder ausgraben, und wenn sie noch so weit zurückliegen.
    Frank wollte natürlich trotzdem seine Sendung machen. Also haben wir zwei Videos aufgenommen. Ich mit einer Videobotschaft für sie, sie mit einer Videobotschaft für mich, und gut war’s. Frank kam vor der Sendung zu mir ins Hotelzimmer: »Waldi, du musst jetzt stark sein – so jung wie in deiner Erinnerung ist sie nicht mehr.« Zugegeben, war ich auch nicht mehr. Aber die damalige Liebe muss tatsächlich groß gewesen sein. Denn wir wurden unabhängig voneinander befragt – und konnten uns vierzig Jahre danach an genau die gleichen Ereignisse im Ferienlager im Harz erinnern. So weit meine Abenteuer im Osten …
    Die Sendung mit Frank in Saarbrücken war trotzdem wunderbar. Denn Frau Hunziker hat alles gezeigt, was sie hat – und mich fast so begeistert wie damals Renate. Nach der Sendung und nach einem gemeinsamen Essen bin ich mit Michelle in die Spielbank. Alle anderen waren müde. Frank wollte nach Hause, es war ja nur eine Stunde heim nach Luxemburg. Nur ich wollte noch nicht ins Bett, und Frau Hunziker auch nicht.
    Also sagte ich: »Ich geh noch zum Zocken.« Michelle sofort: »Du gehst noch zocken? Ich geh mit!« Und als klar war, dass Michelle mitgeht, war plötzlich niemand mehr müde, auch Frank nicht. Alle wollten mit ins Casino. Dass er mich nicht alleine mit Michelle in die Spielbank gehen ließ, halte ich Frank bis heute vor. Trotzdem war es ein sehr lustiger Abend. Als ich mit Michelle am Roulettetisch stand, hatten die Crou piers nur Augen für sie – und wir gewannen! Vielleicht rollt die Kugel doch dahin, wo es am schönsten ist. Michelle Hunziker ist eine wunderbare, unkomplizierte Frau, eine der erfreulichsten Erscheinungen im
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher