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Dreizehn bei Tisch

Dreizehn bei Tisch

Titel: Dreizehn bei Tisch
Autoren: Agatha Christie
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›beeinflussen‹ zu lassen, Hastings, wie Sie so schön sagen. Der beste und trockenste Champagner, das goldhaarigste und verführerischste Weib – nichts beeinflusst die Urteilskraft von Hercule Poirot. Nein, mon ami, mein Interesse ist geweckt worden – voilà!«
    »Jane Wilkinsons Liebesaffäre?«
    »Janes Liebesaffare, um bei Ihrem Ausdruck zu bleiben, ist eine sehr landläufige Angelegenheit – eine Stufe in der erfolgreichen Laufbahn einer bildschönen Frau. Wenn der Herzog von Merton ihr weder Titel noch Reichtum zu bieten hätte, würde die romantische Zuneigung dieser Dame zu einem verträumten Mönch schnell erlöschen. Nein, Hastings, was mich kitzelt, ist die Psychologie der Sache. Das Ränkespiel der Charaktere. Ich begrüße den Zufall, der es mir erlaubt, Lord Edgware in einer persönlichen Unterredung zu studieren.«
    »Sie erwarten doch wohl aber nicht, dass Sie Ihren Auftrag erfüllen werden?«
    »Warum nicht? Jeder Mensch hat seine Achillesferse. Bilden Sie sich nicht ein, Hastings, dass ich, weil ich den Fall vom psychologischen Standpunkt aus betrachte, nicht alles dransetzen werde, die Mission zur Befriedigung der Auftraggeberin durchzuführen. Es bereitet mir immer Vergnügen, meine Fähigkeiten voll auszuschöpfen.«
    Ich atmete dankbar auf, als mir ein Hinweis auf die kleinen grauen Zellen erspart blieb.
    »Dann werden wir also morgen gegen elf nach Regent Gate gehen«, sagte ich.
    »Wir?« Spöttisch zog Hercule Poirot seine Augenbrauen zu einem Dreieck empor.
    »Mein Lieber, Sie werden meine Begleitung doch nicht zurückweisen!«, rief ich. »Ich bin immer mit Ihnen gegangen.«
    »Wenn es sich um ein Verbrechen handelte, einen mysteriösen Giftfall, einen grässlichen Mord – ah, in solchen Dingen schwelgt Ihre Seele. Doch nur eine Vermittlung in Privatangelegenheiten?«
    »Kein Wort mehr!«, sagte ich empört. »Ich komme mit.«
    Poirot schmunzelte noch vergnügt, als uns ein Besucher gemeldet wurde, der sich als Martin Bryan entpuppte.
    Bei hellem Tageslicht sah der Schauspieler älter aus. Gewiss, er war ein schöner Mann, doch wirkte er irgendwie verlebt. War er etwa rauschgiftsüchtig? Es umgab ihn eine nervöse Spannung, die diese Vermutung rechtfertigte.
    »Guten Morgen, Monsieur Poirot«, grüßte er fröhlich. »Freut mich, zu sehen, dass Sie und Captain Hastings zu einer vernünftigen Stunde frühstücken. – Sind Sie gegenwärtig sehr beschäftigt?«
    »Nein«, versicherte Poirot liebenswürdig. »Im Augenblick drängt mich kein wichtiges Geschäft.«
    »Wer’s glaubt!«, lachte Bryan. »Wirklich kein Geheimauftrag von Scotland Yard? Keine heiklen Nachforschungen für irgendeine Königliche Hoheit?«
    »Sie verwechseln Dichtung und Wahrheit, mein Lieber«, gab Poirot zurück. »Ich kann beschwören, dass ich im Moment vollkommen ohne Beschäftigung bin, obgleich ich keineswegs zum alten Eisen gehöre. Dieu merci!«
    »Dann habe ich Glück gehabt, Monsieur Poirot. Darf ich Sie wohl ein wenig anstellen?«
    Poirot betrachtete ihn eingehend, ehe er fragte: »Haben Sie ein Problem für mich?«
    »Etwas Ähnliches. Ein Problem – und doch auch keins.«
    Martin Bryan lachte nervös. Während Poirot ihn unentwegt betrachtete, bot er ihm mit einer Handbewegung einen Stuhl an.
    »Und nun lassen Sie uns hören, um was es geht«, forderte mein Freund den Besucher auf.
    Martin Bryan suchte unbeholfen nach Worten.
    »Leider… leider kann ich Ihnen nicht so viel erzählen, wie ich möchte.« Er zauderte. »Es ist schwierig. Sehen Sie, die ganze Angelegenheit begann in Amerika.«
    »In Amerika? Ja?«, warf Hercule Poirot ermunternd ein.
    »Ein reiner Zufall lenkte zuerst meine Aufmerksamkeit darauf. Ich saß im Eisenbahnzug, als mir ein hässlicher Kerl, glatt rasiert, mit Brille und einem Goldzahn auffiel.«
    »Ah, einem Goldzahn!«
    »Ja. Und das ist der Kernpunkt der Sache.«
    Poirot nickte mehrere Male. »Ich verstehe. Fahren Sie fort.«
    »Wie gesagt, der Bursche fiel mir auf. Übrigens befand ich mich damals auf einer Fahrt nach New York. Sechs Monate später war ich in Los Angeles. Und wer kommt mir da in die Quere? Der Bursche mit dem Goldzahn. Vielleicht werden Sie sagen, dass dies nichts Außergewöhnliches sei. Aber vier oder fünf Wochen nach dieser zweiten Begegnung hatte ich in Seattle zu tun, und kurz nach meiner Ankunft dort sehe ich abermals meinen Freund; nur trug er diesmal einen Bart.«
    »Das ist allerdings merkwürdig.«
    »Nicht wahr? Natürlich ahnte ich damals
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