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Dreizehn bei Tisch

Dreizehn bei Tisch

Titel: Dreizehn bei Tisch
Autoren: Agatha Christie
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nicht, dass es irgendetwas mit mir zu tun haben könnte. Doch hatte ich nicht Grund, Verdacht zu schöpfen, als der bartlose Mensch aus dem Zug beim zweiten Wiedersehen einen Schnurrbart trug und das dritte Mal mit einem Backenbart als Landstreicher umherstreifte?«
    »Natürlich.«
    »Und schließlich – sonderbar genug, aber es gab keinen Zweifel – wurde ich, was Sie in Ihrer Detektivsprache beschattet nennen. Wo ich auch war, tauchte irgendwo mein Schatten in wechselnder Verkleidung auf. Glücklicherweise konnte ich ihn dank dem Goldzahn immer über kurz oder lang identifizieren.«
    »Verzeihung, wenn ich Sie unterbreche, Mr Bryan – aber haben Sie niemals mit dem Mann gesprochen? Ihn nie nach dem Grund seines hartnäckigen Verfolgens gefragt?«
    »Nein.« Der Schauspieler zögerte. »Zwar habe ich den Gedanken ein- oder zweimal erwogen, ihn dann aber aufgegeben, weil die Drahtzieher nur gewarnt worden wären. Wahrscheinlich hätten sie sofort einen anderen auf meine Spur gesetzt, irgendwen mit weniger auffallendem Merkmal.«
    »Sie gestatten eine weitere Frage, Mr Bryan. Wenn ich Sie recht verstehe, ahnen Sie nicht, wer Sie beobachten ließ und zu welchem Zweck?«
    »Nicht im Mindesten. Wenigstens…«
    »Ja?«, drängte Poirot.
    »Ich habe eine Idee«, sagte Martin Bryan gedehnt. »Freilich eine reine Mutmaßung.«
    »Eine Mutmaßung kann sich bisweilen als sehr Erfolg bringend erweisen, Monsieur.«
    »Sie hängt mit einem Vorfall, der sich vor zwei Jahren in London ereignete, zusammen. Ein unerklärlicher und unvergesslicher Vorfall. Ich habe viel über ihn nachgegrübelt. Und gerade weil ich ihn nicht erklären konnte, neige ich dazu, ihn mit diesem Spion in Verbindung zu bringen. Aber das Weshalb oder Wie vermag ich nicht zu sehen.«
    »Vielleicht vermag ich es.«
    »Ja, doch…« Martin Bryans anfängliche Verwirrung kehrte zurück. »Verstehen Sie: Ich kann Ihnen darüber nicht reinen Wein einschenken – nicht jetzt. Möglicherweise bin ich in ein oder zwei Tagen dazu imstande.«
    Poirots durchdringender Blick ließ ihn verzweifelt hervorstoßen: »Eine Frau ist darin verwickelt.«
    »Ah, parfaitement! Eine englische Frau?«
    »Ja. Oder vielmehr – warum?«
    »Höchst einfach. Sie hoffen, mir die jetzt nicht mögliche Erklärung in zwei Tagen geben zu können. Mit anderen Worten: Sie möchten die Einwilligung der jungen Dame erlangen, die sich daher in England befindet. Ferner muss sie während der Zeit, als man hinter Ihnen herspionierte, in England gewesen sein, denn hätte sie sich in Amerika aufgehalten, würden Sie sie damals dort aufgesucht haben. Mithin lebte sie die letzten achtzehn Monate in England, woraus sich die Wahrscheinlichkeit, wenn auch nicht die Gewissheit, ergibt, dass sie Engländerin ist. Gut gefolgert?«
    »Ziemlich. Wenn ich nun ihre Erlaubnis bekomme, Monsieur Poirot, wollen Sie sich dann meiner Sache annehmen?« Es entstand eine längere Pause. Poirot schien im Geist das Gehörte noch einmal durchzugehen. Endlich sagte er: »Warum sind Sie zu mir gekommen, bevor Sie sich mit ihr in Verbindung setzten?«
    »Ich… ich…«, stotterte Bryan. »Meine Absicht war, sie zu überreden, die Dinge durch Sie klären zu lassen. Denn wenn Sie die Nachforschungen anstellen, braucht nichts davon an die Öffentlichkeit zu dringen, nicht wahr?«
    »Das hängt von den Umständen ab«, gab Poirot zur Antwort.
    »Wie soll ich das auffassen?«
    »Wenn ein Verbrechen hineinspielt…«
    »Nichts von Verbrechen!«
    »Vielleicht ohne dass Sie es wissen. Wie alt war übrigens der Bursche?«
    »Ich schätze, ungefähr dreißig.«
    »Ah! Das ist wichtig. Ja, das gibt der ganzen Sache bedeutend mehr Reiz.«
    Betroffen starrte ich Poirot an. Bryan hob fragend die Augenbrauen, worauf ich völlig ratlos den Kopf schüttelte.
    »Ja«, murmelte Poirot. »Das macht die Geschichte erst interessant.«
    »Er kann auch älter gewesen sein«, bemerkte Bryan, von Zweifeln ergriffen.
    »Nein, nein. Fraglos war Ihre Einschätzung richtig. Sehr interessant, äußerst interessant!«
    Diese rätselhaften Ausrufe waren nicht geeignet, Martin Bryans Verwirrung zu beheben. Ich bemerkte, wie er unbehaglich auf seinem Sessel hin und her rutschte, und schließlich leitete er eine oberflächliche Unterhaltung ein.
    »Ein lustiger Abend gestern, nicht wahr…? Man kann kaum eine anmaßendere Frau finden als Jane Wilkinson.«
    »Sie ist von Einzelvisionen besessen«, lächelte Poirot. »Immer nur eine einzige Sache zur
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