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Dreizehn bei Tisch

Dreizehn bei Tisch

Titel: Dreizehn bei Tisch
Autoren: Agatha Christie
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Zeit.«
    »Und ist davon nicht abzubringen«, ergänzte Martin Bryan. »Wie die Leute das ertragen, verstehe ich nicht.«
    »Man erträgt viel von einer schönen Frau, mein Freund.«
    Poirot blinzelte viel sagend. »Wenn sie eine Mopsnase hätte, einen blässlichen Teint und fettiges Haar – ah, dann sähe die Sache anders aus.«
    »Trotzdem kann sie einen bisweilen zur Weißglut bringen. Nichtsdestoweniger bin ich Jane sehr zugetan, obgleich ich sie in mancher Hinsicht für nicht ganz zurechnungsfähig halte.«
    »Ich hielt sie im Gegenteil für einen klugen Kopf«, wagte ich zu äußern.
    »Vielleicht ist mein Ausdruck nicht gut gewählt, Captain Hastings. Sie versteht ihre Interessen vortrefflich wahrzunehmen; sie besitzt sogar eine reichliche Dosis geschäftlicher Gerissenheit. Aber Recht und Unrecht – diese Begriffe sind ihr fremd.«
    »Etwas Ähnliches sagten Sie auch gestern Abend schon, wie ich mich erinnere.«
    »Meine Herren, wir sprachen eben von Verbrechen… Sehen Sie, es würde mich nicht wundern, wenn Jane ein Verbrechen beginge.«
    »Hm …«, brummte Hercule Poirot gedankenvoll. »Sie haben in so vielen Filmen mit ihr zusammengespielt, dass Sie ihr eigentliches Wesen erfasst haben müssten, Mr Bryan.«
    »Ich glaube sie durch und durch zu kennen«, beteuerte dieser, »und vermag mir darum sehr gut vorzustellen, dass Jane ohne viel Federlesens jemanden töten würde.«
    »Also hat sie ein hitziges Temperament?«
    »Fehlgeschossen, Monsieur Poirot! Kalt wie ein Eiszapfen ist sie. Was ich meine, läuft darauf hinaus, dass sie, falls irgendwer ihr im Wege stände, ihn kurzerhand beiseiteschaffen würde. Und man könnte sie nicht einmal zur Verantwortung ziehen, denn sie ist in dem Wahn befangen, dass jeder, der mit Jane Wilkinson in Konflikt gerät, zu verschwinden hat.«
    Eine anklagende Bitterkeit lag in seinen Worten, die ihnen bisher gefehlt hatte.
    »Sie glauben wirklich, sie würde vor einem Mord nicht zurückschrecken?«, fragte Poirot und sah ihn aufmerksam an.
    Bryan atmete hörbar. »Mein Ehrenwort, ich glaube es. Vielleicht werden Sie sich eines Tages meiner Worte entsinnen… Ich kenne Jane. Mit derselben Leichtigkeit, mit der sie ihren Morgentee trinkt, würde sie auch töten. Ich scherze nicht, Monsieur Poirot.«
    Bei dem letzten Satz war er aufgestanden.
    »Ja«, erwiderte mein Freund gemessen, »ich sehe, wie bitterernst es Ihnen ist.«
    Und noch einmal versicherte Martin Bryan: »Ich kenne sie durch und durch.« Mit gerunzelter Stirn starrte er auf die Spitzen seiner eleganten Schuhe. »Und was die andere Sache betrifft, die mich zu Ihnen führte, so sollen Sie darüber in wenigen Tagen von mir hören.« Jetzt blickte er auf. »Nicht wahr, Sie werden sich mit ihr befassen?«
    Poirot trat ans Fenster und schaute ein Weilchen hinaus.
    »Ja«, entschied er endlich. »Ich werde mich mit ihr befassen, weil ich sie interessant finde.«
    Ich begleitete Bryan die Treppe hinab.
    »Was zum Henker meinte er mit dem Alter jenes goldzahnigen Burschen?«, stieß er hervor, während seine Hand schon auf der Haustürklinke lag. »Ob er dreißig oder vierzig ist – was tut das zur Sache? Vielleicht hat mich Ihr Freund nur foppen wollen.«
    »Niemals!«, erklärte ich aus ehrlichster Überzeugung. »Das ist nicht Poirots Art. Verlassen Sie sich darauf, dass ihm dieser Punkt bedeutungsvoll erscheint.«
    »Na, es tröstet mich, dass Sie nicht schlauer sind als ich, Captain Hastings. Ich hasse es, wie ein blöder Tölpel dazustehen.« Dann drückte er mir die Hand und ging.
    »Poirot«, sagte ich, als ich wieder oben bei meinem Freund war, »warum messen Sie dem Alter jenes Schnüfflers so viel Bedeutung bei?«
    »Was? Da muss ich Sie erst mit der Nase drauf stoßen? Armer Hastings!« Er lächelte mitleidig und schüttelte den Kopf. »Was halten Sie überhaupt von unserer Unterredung?«
    »Vorläufig dürfte es schwer sein, ein Urteil zu fällen. Wenn wir mehr wissen…«
    »Auch wenn wir nicht mehr wissen, müssen sich Ihnen doch gewisse Eindrücke aufdrängen, mon ami!«
    Das Telefon, das in dieser Sekunde zu schrillen begann, bewahrte mich vor der schmachvollen Beichte, dass sich mir gar nichts aufdrängte, und eilig griff ich zum Hörer.
    Eine weibliche Stimme sprach, eine scharfe, sachliche Stimme. »Hier ist Lord Edgwares Sekretärin. Lord Edgware bedauert, infolge einer unvermuteten Reise nach Paris die Verabredung mit Monsieur Poirot nicht einhalten zu können. Jedoch würde er, falls es Monsieur
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