Dreizehn bei Tisch
machen.«
»Wohin soll’s denn gehen?«
»Nach Regent Gate.«
Ich hielt es für klüger, mich weiterer Fragen zu enthalten. Poirot, das merkte ich wohl, war nicht zu Auskünften aufgelegt. Als wir Seite an Seite im Auto saßen, trommelten seine Finger mit einer nervösen Ungeduld auf sein Knie, die nicht zu seiner gewöhnlichen abgeklärten Ruhe passte.
Derweilen ging ich im Geist Carlotta Adams’ Brief durch, den ich fast auswendig kannte, und einmal über das andere wiederholte ich mir auch Poirots Worte über die abgerissene Seite. Aber nichts half – nach wie vor blieb es mir unbegreiflich, warum eine Seite durchaus abgerissen werden musste.
In Regent Gate öffnete uns ein neuer Butler. Poirot fragte nach Miss Carroll, und während wir zum Zimmer der Sekretärin emporstiegen, überlegte ich mir zum fünfzigsten Male, wo wohl der griechische Gott geblieben war. Die Polizei hatte keine Spur von ihm entdecken können. Ein plötzlicher Schauder lief über meinen Rücken, als mir einfiel, dass auch er vielleicht nicht mehr unter den Lebenden weilte…
Der Anblick Miss Carrolls, nüchtern, sachlich und augenfällig gesund, verscheuchte rasch diese finsteren Vorstellungen.
»Was führt Sie zu mir, Monsieur Poirot?«, erkundigte sie sich, und man hörte, wie sehr sie dieser Besuch überraschte.
»Ich bin froh, Sie noch hier vorzufinden«, sagte Poirot, während er sich höflich über ihre Hand beugte.
»Geraldine wollte nichts von meiner Abreise hören«, erklärte Miss Carroll. »Sie bat mich, noch weiter zu bleiben. Und eigentlich braucht das arme Kind in diesen bösen Tagen auch jemanden – und sei es auch nur, um einen Puffer zu haben. Ich kann Ihnen versichern, Monsieur Poirot, dass ich, wenn erforderlich, ein sehr tüchtiger Puffer bin.«
Ich glaubte es ihr ohne Weiteres und stellte mir vor, mit welcher Resolutheit sie Reporter und Neugierige vor die Tür gesetzt haben mochte.
»Mademoiselle, Sie sind mir immer als ein Muster an Tüchtigkeit erschienen«, schmeichelte Hercule Poirot. »Und Tüchtigkeit stelle ich über alles. Mademoiselle Marsh verfügt über keinerlei praktischen Sinn.«
»Sie ist eine Träumerin. Ein Segen, dass sie es nicht nötig hat, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen!«
»Ja, wirklich.«
»Aber ich glaube kaum, dass Sie wegen dieser Frage hierhergekommen sind, Monsieur Poirot. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich möchte mir über einige Punkte Aufschluss verschaffen, Mademoiselle«, erklärte er. »Und Ihrem Gedächtnis kann man vertrauen.«
»Sonst würde ich eine sehr schlechte Sekretärin sein«, erwiderte sie spitz und musterte ihn durch ihre Kneifergläser.
»War Lord Edgware im vergangenen November in Paris?«
»Ja. Wenn Sie das Datum wissen wollen, werde ich nachsehen.«
Sie erhob sich, nahm aus einer Schublade ein kleines, gebundenes Buch und verkündete nach einigem Hin- und Herblättern: »Lord Edgware reiste am 3. November nach Paris und kehrte am 7. zurück. Ferner unternahm er eine zweite Reise am 29. November, die bis zum 4. Dezember dauerte. Sonst noch etwas, Monsieur?«
»Ja. Aus welchem Grunde fuhr er?«
»Bei der ersten Gelegenheit beabsichtigte er den Ankauf einiger Statuetten, deren Versteigerung jedoch verschoben wurde. Die zweite Reise verfolgte keinen bestimmten Zweck, soviel ich weiß.«
»Begleitete Mademoiselle Marsh ihren Vater?«
»Sie hat ihn nie begleitet, Monsieur Poirot. Lord Edgware würde an dergleichen nie gedacht haben. Außerdem befand sie sich im November noch in einem Pariser Internat, aber ich bezweifle sehr, dass ihr Vater sie besuchte.«
»Und Sie begleiteten ihn auch nicht?«
»Nein.« Und unvermittelt fragte sie ziemlich barsch: »Was sollen eigentlich diese Erkundigungen?«
Mein Freund tat, als hätte er die Frage nicht gehört.
»Nicht wahr, Miss Marsh ist ihrem Vetter sehr zugetan?«, fuhr er fort.
»Wirklich, Monsieur Poirot, ich verstehe nicht…«
»Miss Marsh kam neulich zu mir. Wissen Sie das?«
»Nein.« Die Augen hinter den Gläsern blickten ganz verdutzt. »Ich hatte keine Ahnung davon. Was sagte sie?«
»Sie erzählte mir – obwohl nicht mit denselben Worten –, dass sie ihrem Vetter sehr zugetan sei.«
»Nun, warum fragen Sie mich dann noch?«
»Weil mir an Ihrer Meinung liegt.«
Jetzt entschloss sich Miss Carroll zu antworten. »Meine Meinung ist, dass sie viel zu sehr an ihm hängt – von jeher schon.«
»Mögen Sie den jetzigen Lord Edgware nicht?«
»Das habe ich nicht gesagt, Monsieur
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