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Dreikönigsmord (German Edition)

Dreikönigsmord (German Edition)

Titel: Dreikönigsmord (German Edition)
Autoren: Bea Rauenthal
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einer dunklen, schweren Holztür freizugeben. Nachdem die Mönche den Raum verlassen hatten, schoben sich auch die übrigen Anwesenden durch die Tür. Die Beine gaben unter Jo nach, und sie sackte auf den Bettrand.
    »Herrin, ach Herrin, wie konntet Ihr Euch Pater Lutger nur so zum Feind machen?« Die rundliche Frau kniete sich vor ihr auf den Bretterboden und sah sie bekümmert an. »Ich weiß ja, dass Ihr den Pater nicht leiden könnt. Aber ich wusste mir einfach keine andere Wahl, als ihn zu rufen. Schließlich ist er bekannt dafür, böse Geister auszutreiben. Und Ihr wart schon so lange schwerkrank …« Tränen schimmerten in ihren Augen.
    »Sie sind nicht real. Das alles ist nicht real …«, murmelte Jo. Ist dies etwa nicht bloß ein Albtraum? Wirre Gedanken schwirrten durch ihren Kopf. Bin ich möglicherweise nach dem Unfall in ein Koma gefallen und liege jetzt auf einer Intensivstation an alle möglichen Schläuche und Geräte angeschlossen, während mein Unterbewusstes mich in eine Fantasie-Welt versetzt, gespeist aus meinen letzten Eindrücken vor dem Unglück?
    »Ach Herrin, ich weiß ja nicht genau, was Ihr mit dem Wort real meint. Jedenfalls seid Ihr wirklich. Ebenso wie ich und dieser Raum in Eurem Heim.« Die Frau schüttelte besorgt den Kopf. »Ihr werdet doch wohl Eure Magd Katrein wiedererkennen.«
    »Ich habe keine Magd«, flüsterte Jo. »Nur einen Herd und eine Spülmaschine, die ich so gut wie nie benutze. Und das hier ist nicht mein Zuhause. Ich lebe im 21. Jahrhundert und …«
    »Wir schreiben das Jahr 1380. Und nun müsst Ihr Euch wieder hinlegen«, erklärte die Frau, die sich Katrein nannte. Resolut fasste sie Jo um die Schultern und drückte sie mit sanfter Gewalt auf das Bett nieder. Jo war zu erschöpft, um sich zu wehren. Von irgendwoher aus dem Gebäude war ein merkwürdiges, gleichmäßiges Geräusch zu hören. Als ob jemand große Holzstücke gegeneinander schlüge.
    »Was sind das für Töne?«, fragte Jo die Magd, die ihr die Wolldecke bis zur Brust hochzog und sie dann unter der Matratze feststeckte. Sie entschied, dass es am einfachsten war, wenn sie fürs Erste in diesem Traum oder in dieser Koma-Fantasie mitspielte.
    »Erkennt Ihr etwa nicht einmal das Geräusch Eurer Webstühle?«
    »Meine Webstühle …?« Trotz ihrer Kopfschmerzen und ihrer Müdigkeit musste Jo beinahe lachen. Gewebt hatte sie ein einziges Mal in ihrem Leben. Ein schmuddeliges, schiefes Stoffstück auf einem Handwebrahmen, in der zweiten Grundschulklasse. Sie hatte Handarbeiten immer gehasst.
    »Ja, natürlich. Ihr besitzt acht Webstühle. Sie stehen in der Weberei, die Ihr von Eurem verstorbenen Gatten geerbt habt.«
    »Ich bin … Witwe?« Diese Traumbilder wurden ja immer absurder …
    »Bei Gott … Die lange Krankheit hat Euer Gedächtnis wirklich völlig verwirrt.« Wieder stiegen Katrein Tränen in die Augen. »Sagt, wisst Ihr wenigstens noch Euren Namen?«
    »Jo … Josepha Weber«, flüsterte Jo.
    Ein erleichtertes Lächeln breitete sich auf dem Gesicht der Magd aus. »Dem Himmel sei Dank. Euer Geist ist also doch nicht völlig zerrüttet. Ich bin überzeugt, in den nächsten Tagen wird Eure Erinnerung allmählich vollständig zurückkehren.«
    »Ich trage also auch im Traum diesen Namen?«
    »Nicht nur im Traum.« Katrein seufzte leicht. »Auf den Namen Josepha seid Ihr getauft, und Weber ist der Name, den Ihr bei Eurer Heirat von Eurem Gatten übernommen habt.« Während sie sprach, trat sie an eine wuchtige Truhe. Dort ergriff sie einen Tonkrug und goss eine Flüssigkeit in einen Becher. Mit dem Gefäß in der Hand kam sie wieder zum Bett und setzte sich neben Jo. »Trinkt das, Herrin«, sagte sie sanft.
    »Was ist das?«, fragte Jo misstrauisch.
    »Nur Wasser.«
    Jo spürte plötzlich, wie durstig sie war. Sie ließ sich von Katrein aufhelfen und sich den Tonbecher an die Lippen setzen. Das Wasser schmeckte ein wenig süßlich. Doch ehe sie die Magd zur Rede stellen konnte, ob sie nicht doch irgendein Mittel hineingegeben habe, fielen ihr schon die Augen zu. Sie hörte noch, wie sich Katrein einen Stuhl heranzog und sich neben das Bett setzte, und dachte: Wenn ich das nächste Mal zu mir komme, werde ich diesen Traum hoffentlich vergessen haben. Dann schlief sie ein.
    Der Geruch von Kampfer, Wermut und Kamille stieg Jo in die Nase und ließ sie im Halbschlaf niesen. Ihr Albtraum war also immer noch nicht zu Ende. Ach, wenn es doch nur nach Desinfektionsmitteln gerochen hätte. Resigniert
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