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Drei Wunder zum Glück (German Edition)

Drei Wunder zum Glück (German Edition)

Titel: Drei Wunder zum Glück (German Edition)
Autoren: Alexandra Bullen
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öffnen. Denn wenn sie den Reißverschluss erst einmal aufzog, dann würde sie das Kleid natürlich auch anprobieren. Das Kleid anzuprobieren bedeutete wiederum, es zu tragen, und sobald sie einmal so weit war, blieb ihr eigentlich nichts anderes übrig, als aus der Kabine zu gehen und die Toilette ganz zu verlassen. Und sobald sie draußen war, wusste sie, wo sie schließlich landen würde. Ihre Mutter war in einem Restaurant in genau diesem Gebäude! Und sobald sie im gleichen Raum mit ihrer Mutter war – ihrer Mutter! –, müsste sie wahrscheinlich etwas zu ihr sagen.
    Aber zuerst musste sie das Kleid anziehen.
    Hazel fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und presste die Handflächen gegen die Schläfen. Sie erinnerte sich an das Jahr, das sie bei Roys Schwester, Rae Ann, an einem See oben im Norden verbracht hatte. Rae Ann hatte Hazel unbedingt den Kopfsprung beibringen wollen und ihr Mut gemacht, als Hazel am Holzsteg stand. Hazel hatte die Zehen um die Ränder der Planken gekrallt und zugesehen, wie sie erst rot, dann rosa und schließlich weiß wurden. Sie hatte erst ein paar Monate vorher Schwimmen gelernt und konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, als sich kopfüber ins kalte, trübe Wasser zu stürzen. Alles in ihr befahl ihr, sich umzudrehen und wegzurennen.
    Schließlich hatte sie sich jedoch überwunden und den Sprung gewagt. Ihre Haut brannte unter dem Schock des kalten Wassers, und Hazel brauchte ein paar Sekunden, bis sie wieder gleichmäßig atmen konnte. Doch sie hatte es überlebt.
    Jetzt holte sie tief Luft, zog den Reißverschluss der schweren grauen Plastikhülle auf und griff mit beiden Händen hinein.
    Das Kleid fühlte sich völlig anders an. Nicht »anders« in dem Sinn, dass Posey eine so wunderbare Arbeit geleistet hatte, dass Hazel es kaum wiedererkannte. »Anders« in dem Sinn, dass es ein völlig anderes Kleid war.
    Hazel setzte sich auf den Toilettendeckel. Sie hörte ein eigenartiges Geräusch, wie ein scharfes Einatmen oder ein atemloses Kichern, und es dauerte ein paar Sekunden, bis sie merkte, dass sie selbst es war, die da lachte.
    Posey hatte ihr das falsche Kleid gegeben! Natürlich. Natürlich hatte Hazel nun nichts anzuziehen. Natürlich würde sie ihre Mutter heute Abend nicht kennenlernen.
    Eine Woge der Erleichterung rollte über Hazel hinweg. Man hatte ihr eine Entschuldigung geliefert. Eine echte Entschuldigung, etwas, was völlig und vollständig außerhalb ihrer Kontrolle lag.
    Doch diese Erleichterung wich schnell, und Hazel schüttelte den Kopf.
    War das ihr Ernst? Ihre Mutter, ihre leibliche Mutter befand sich hier ganz in der Nähe, und sie wollte sie nicht treffen? Wegen irgendeines blöden Fehlers von jemand anderem?
    Sie schlüpfte aus ihren Jeans und zog das Kleid an. Dann steckte sie ihre Füße in die langweiligen schwarzen Ballerinas, die sie letzte Woche günstig entdeckt hatte. So verließ sie die Kabine.
    Die Toilette war leer, und die Spiegel an allen drei Wänden zeigten ihr Bild. Hazel stand vor einer Reihe von Porzellanwaschbecken, und ihr blieb die Luft weg.
    Sie drehte sich um und betrachtete sich von allen Seiten.
    Obwohl sie wusste, dass es den Gesetzen der Optik widersprach, kam es ihr vor, als zeige das Spiegelbild, das ihr von allen drei Wänden entgegenblickte, jemand anderen.
    Das Kleid war umwerfend. Es war kurz und schimmerte petrolfarben. Statt wie das Kleid vom Basar einfach an den Knien zu enden, hatte dieses eine Art Glockenrock und kaschierte dadurch ihre leichten X-Beine. Der Ausschnitt fiel wie ein lockerer Schal, und die zierlichen Puffärmel verliehen ihren relativ dünnen Armen den Anschein von Kontur.
    Am meisten verblüffte Hazel jedoch, wie sich das Kleid anfühlte. Normalerweise hingen Kleider einfach an ihr herunter. Dieses Kleid jedoch fühlte sich an, als sei es direkt für sie gemacht, sie spürte es kaum, und es umhüllte sie so weich und anschmiegsam wie eine zweite Haut.
    Hazel wirbelte herum und sah zu, wie der Rock sich drehte. Sie merkte, wie ihre Lippen sich zu einem Lächeln hoben, und wollte sich schon ein zweites Mal drehen, als sie Stimmen vor der Tür hörte.
    Schnell beugte sie sich über ein Waschbecken und drehte den Wasserhahn auf, als sich die Tür auch schon öffnete. Eine kleine Frau mit kräftigem blondem Haar ging an ihr vorbei. Sie war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet und hielt ein kleines Mädchen auf den Hüften. Das Mädchen war vielleicht zwei oder drei Jahre alt, ihr feines Haar mit
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