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Drei Unzen Agonie

Drei Unzen Agonie

Titel: Drei Unzen Agonie
Autoren: Carter Brown
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Plötzlich schien sie einen Entschluß
gefaßt zu haben. »Ich will zuerst mit Jonathan darüber sprechen, okay ?«
    »Okay«, stimmte ich zu, weil
mir nichts anderes übrigblieb.
    Sie lächelte. »Ich rufe Sie
dann an .«
    »Ich werde die ganze Nacht
wachbleiben und auf Ihren Anruf warten .«
    Ich leerte mein Glas, reichte
ihr meine Karte und ging.
    Die Sonne hatte sich hinter die
Wolken verzogen. Wahrscheinlich würde es noch vor Einbruch der Nacht wieder zu
schneien anfangen. Ich schlug meinen Mantelkragen hoch und fragte mich
verbissen, warum Menschen nicht die Weisheit besaßen, Winterschlaf zu halten.
     
     
     

3
     
    Leo Stahl trug zwar keinen Hut,
als er mir die Tür öffnete, doch er wirkte, genau wie Mrs. Malone gesagt hatte,
wie eine Bohnenstange. Er mochte etwa fünfunddreißig Jahre alt sein, war groß
und mager, mit leicht gebeugten Schultern und schütterem braunem Haar. Seine
braunen Augen blickten wäßrig und verschwommen drein.
    »Was gibt es ?« fragte er mit dünner ungeduldiger Stimme.
    »Mein Name ist Danny Boyd«,
erklärte ich. »Miss Lord...«
    »Ja, ja.« Er nickte kurz. »Sie
hat mir Bescheid gesagt. Kommen Sie herein, Mr. Boyd .«
    Ich folgte ihm in ein
Wohnzimmer, das wie ein Möbellager wirkte. Die Vorhänge waren nicht zugezogen,
und ich stellte fest, daß er eine phantastische Aussicht in die
gegenüberliegenden Wohnungen hatte. An klaren Tagen konnte er vielleicht ein
paar Zentimeter des blauen East River sehen. Mit einer raschen Handbewegung
forderte er mich auf, mich zu setzen. Ich ließ mich auf einer steifen Couch
nieder, und er nahm in einem Sessel mir gegenüber Platz.
    »Ich fürchte, ich werde Ihnen
nicht viel helfen können, Mr. Boyd .« Er zog sein
Taschentuch heraus und wischte sich die Augen. »Ich kann Ihnen nur zweierlei
versichern: Kein Mensch hat die Formel gesehen, solange sie sich in meinem
Besitz befand, und ich habe sie an Fremont weder verkauft noch weitergegeben .«
    »Haben Sie eine Ahnung, wer es
getan haben könnte ?«
    »Nein.« Er massierte sich die
knochige Nasenspitze mit dem Zeigefinger. »Ich interessiere mich nur für meine
Arbeit, Mr. Boyd. Beim Komponieren eines Parfüms vereinigen sich Kunst und
Wissenschaft. Obwohl ich seit zwölf Jahren auf diesem Gebiet tätig bin, finde
ich es noch immer faszinierend .«
    »Wenn Sie nicht der Täter
sind«, stellte ich fest, »kommen nur noch Miss Lord, ihr Bruder oder ihre
Privatsekretärin in Frage .«
    Er schnüffelte laut. »Eine
absurde Vorstellung, daß Miss Lord ihre eigene Formel stehlen würde, um dann
das Parfüm auf den Markt zu bringen und es wenig später unter enormen Verlusten
zurückzuziehen.«
    »Vielleicht nicht«, entgegnete
ich kurz. »Vielleicht hat sie sich ausgerechnet, daß dieses finanzielle Opfer
sich bezahlt macht, wenn sie mit diesem Manöver alle Welt davon überzeugen
kann, daß ihr Bruder der Täter war .«
    »Ich kann Ihnen nicht folgen,
Mr. Boyd .«
    »Jonathan wird an seinem 25.
Geburtstag laut Testament die Leitung der Firma übernehmen. Ich kann mir
lebhaft vorstellen, daß ihr das gar nicht in den Kram paßt .«
    »Dieses hirnverbrannte
Testament, das der alte Andrew Lord in seiner Senilität gemacht hat!« Er
schnüffelte wieder. »Ich finde Ihre Theorie dennoch absurd .«
    »Vielleicht hat sie sich
insgeheim mit Fremont arrangiert, so daß der Verlust gar nicht so schlimm ist ?« meinte ich. »Vergessen Sie nicht, daß die beiden drauf
und dran waren zu heiraten .«
    »Und sie brach mit ihm, sobald
sie merkte, daß er es auf die Firma abgesehen hatte, nicht auf sie .«
    »Wollten Sie sie auch heiraten ?« fragte ich im Konversationston. »Oder war es von
vornherein nur eine nette Episode ohne Verpflichtungen ?«
    »Was?« Sein vorstehender
Adamsapfel hüpfte.
    »Soviel ich gehört habe,
verkehrten Sie ständig in ihrem Haus«, bemerkte ich kühl. »Wie kam es denn, daß
die Affäre vor ein paar Monaten plötzlich ein Ende fand? Kam sie dahinter, daß
Ihre Ziele sich nicht von denen Fremonts unterschieden ?«
    Er wurde bleich vor Ärger. »Das
ist denn doch der Gipfel der Unverschämtheit! Diese schmutzigen Anspielungen
lasse ich mir nicht bieten, Boyd. Ich warne Sie !«
    »Wie wär’s denn mit folgender
Theorie ?« brummte ich. »Sie will unter allen Umständen
vermeiden, daß ihr Bruder sie ablöst. Zuerst unterhält sie eine Affäre mit
Fremont, danach mit Ihnen. Die von Ihnen entwickelte Formel wird gestohlen, und
Fremont bekommt sie .«
    Er schüttelte hastig den
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