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Drei Männer im Schnee

Drei Männer im Schnee

Titel: Drei Männer im Schnee
Autoren: Erich Kästner
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sind zu kalt.«
    »Muß ich gleich wieder zurückfahren?« fragte er. »Oder kriege ich erst ’ne Tasse Kaffee?«
    »Marsch in die gute Stube«, befahl sie. Er kam langsam herauf und schlich mit seinem Koffer an ihr vorbei, als habe er Angst. Karlchen lachte naiv und verzog sich. Mutter und Sohn spazierten Arm in Arm in die Wohnung. Während sie frühstückten, berichtete Fritz ausführlich von den Ereignissen des Vortags. Dann las er die beiden Abschiedsbriefe vor.
    »Da stimmt etwas nicht, mein armer Junge«, meinte die Mutter tiefsinnig. »Du bist mit deiner Vertrauensseligkeit wieder einmal hineingefallen. Wollen wir wetten?«
    »Nein«, erwiderte er.
    »Du bildest dir immer ein, man merkte auf den ersten Blick, ob an einem Menschen etwas dran ist oder nicht«, sagte sie. »Wenn du recht hättest, müßte die Welt ein bißchen anders aussehen. Wenn alle ehrlichen Leute ehrlich ausschauten und alle Strolche wie Strolche, dann könnten wir lachen. Die schöne Reise haben sie dir verdorben. Am nächsten Ersten mußt du ins Büro. Eine Woche zu früh bist du abgereist. Man könnte mit dem Fuß aufstampfen!«
    »Aber gerade deswegen hat sich Eduard wahrscheinlich nicht von mir verabschiedet!« rief er. »Er fürchtete, ich käme mit, und er wollte, ich solle in Bruckbeuren bleiben! Er dachte doch nicht, daß ich erführe, wie abscheulich man ihn behandelt hat.«
    »Dann konnte er wenigstens seine Berliner Adresse dazuschreiben«, sagte die Mutter. »Ein Mann mit Herzensbildung hätte das getan. Da kannst du reden, was du willst. Und warum hat sich das Fräulein nicht von dir verabschiedet? Und warum hat denn sie keine Adresse angegeben? Von einem Mädchen, das du heiraten willst, können wir das verlangen! Alles, was recht ist.«
    »Du kennst die zwei nicht«, entgegnete er. »Sonst würdest du das alles ebensowenig verstehen wie ich. Man kann sich in den Menschen täuschen. Aber so sehr in ihnen täuschen, das kann man nicht.«
    »Und was wird nun?« fragte sie. »Was wirst du tun?«
    Er stand auf, nahm Hut und Mantel und sagte: »Die beiden suchen!«
    Sie schaute ihm vom Fenster aus nach. Er ging über die Straße.
    »Er geht krumm«, dachte sie. »Wenn er krumm geht, ist er traurig.«
    Während der nächsten fünf Stunden hatte Doktor Hagedorn anstrengenden Dienst. Er besuchte Leute, die Eduard Schulze hießen. Es war eine vollkommen blödsinnige Beschäftigung. So oft der Familien vorstand selber öffnete, mochte es noch angehen. Dann wußte Fritz wenigstens sofort, daß er wieder umkehren konnte. Er brauchte nur zu fragen, ob etwa eine Tochter namens Hildegard vorhanden sei.
    Wenn aber eine Frau Schulze auf der Bildfläche erschien, war die Sache zum Auswachsen. Man konnte schließlich nicht einfach fragen: »War Ihr Herr Gemahl bis gestern in Bruckbeuren? Haben Sie eine Tochter? Ja? Heißt sie Hilde? Nein? Guten Tag!«
    Er versuchte es auf jede Weise. Trotzdem hatte er den Eindruck, überall für verrückt gehalten zu werden. Besonders schlimm war es in der Prager Straße und auf der Masurenallee.
    In der Prager Straße rief die dortige Frau Schulze empört: »Also in Bruckbeuren war der Lump? Mir macht er weis, er käme aus Magdeburg. Hatte er ein Frauenzimmer mit? Eine dicke Rotblonde?«
    »Nein«, sagte Fritz. »Es war ja gar nicht Ihr Mann. Sie tun ihm unrecht.«
    »Und wieso kommen Sie dann hierher? Nein, nein, mein Lieber! Sie bleiben hübsch hier und warten, bis mein Eduard nach Hause kommt! Dem werde ich helfen!«
    Hagedorn mußte sich mit aller Kraft losreißen. Er floh. Sie schimpfte hinter ihm her, daß das Treppenhaus wackelte.
    Ja, und bei den Schulzes auf der Masurenallee existierte eine Tochter, die Hildegard hieß! Sie war zwar nicht zu Hause. Aber der Vater war da.
    Er bat Fritz in den Salon. »Sie kennen meine Tochter?« fragte der Mann.
    »Ich weiß nicht recht«, sagte Fritz verlegen. »Vielleicht ist sie’s.
    Vielleicht ist sie’s nicht. Haben Sie zufällig eine Fotografie der jungen Dame zur Hand?« Herr Schulze lachte bedrohlich. »Ich will nicht hoffen, daß Sie meine Tochter nur im Dunkeln zu treffen pflegen!«
    »Keineswegs«, erklärte Fritz. »Ich möchte nur feststellen, ob Ihr Fräulein Tochter und meine Hilde identisch sind.«
    »Ihre Absichten sind doch ernst?« fragte Herr Schulze streng.
    Der junge Mann nickte.
    »Das freut mich«, sagte der Vater. »Haben Sie ein gutes Einkommen? Trinken Sie?«
    »Nein«, meinte Fritz. »Das heißt, ich bin kein Trinker. Das Gehalt ist
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