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Drei Männer im Schnee

Drei Männer im Schnee

Titel: Drei Männer im Schnee
Autoren: Erich Kästner
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einen Brief für Fritz auf den Portiertisch. Der Direktor und Onkel Polter verbeugten sich. Sie wurden aber übersehen. Das Auto füllte sich. Johann hielt die elektrische Heizsonne auf dem Schoß. Die Koffer waren voll gewesen.
    Der Lechner Leopold wollte schon anfahren, als Sepp, der Skihallenhüter, angaloppiert kam. Er gab gutturale Laute der Rührung von sich, ergriff Schulzes Hand und schien entschlossen, sie abreißen zu wollen. »Schon gut, Sepp«, sagte Schulze. »Es ist gern geschehen. Sie waren beim Eisbahnkehren sehr nett zu mir.«
    Kesselhuth zeigte auf die kläglichen Reste des getauten Schneemanns. »Der schöne Kasimir ist hin.«
    Schulze lächelte. Er entsann sich jener gestirnten Nacht, in der Kasimir zur Welt gekommen war. »Schön war’s doch«, murmelte er.
    Dann fuhr der Wagen davon. Die Schneepfützen spritzten.
    Als Hagedorn ins Hotel zurückkam, übergab ihm der Portier zwei Briefe. »Nanu«, sagte Fritz, setzte sich in die Halle und riß die Kuverts auf.
    Das erste Schreiben lautete: »Mein lieber Junge! Ich muß, unerwartet und sofort, nach Berlin zurück. Es tut mir leid. Auf baldiges Wiedersehen. Herzliche Grüße. Dein Freund Eduard.«
    Auf dem zweiten Briefbogen stand: »Mein Liebling! Wenn Du diese Zeilen liest, ist Dein Fräulein Braut durchgegangen. Sie wird es bestimmt nicht wieder tun. Sobald Du sie gefunden hast, darfst Du sie so lange an den Ohren ziehen, bis diese rechtwinklig abstehen.
    Vielleicht ist es kleidsam. Komme, bitte, bald nach Berlin, wo nicht nur meine Ohren auf Dich warten, sondern auch der Mund Deiner zukünftigen Gattin Hilde Hagedorn.«
    Fritz stieß einen gräßlichen Fluch aus und rannte zum Portier hinüber. »Was soll das denn bedeuten?« fragte er fassungslos.
    »Schulze ist abgereist! Meine Braut ist abgereist! Und Tante Julchen?«
    »Abgereist«, sagte der Portier. »Und Herr Kesselhuth?«
    »Abgereist«, flüsterte der Portier.
    Hagedorn musterte das Armesündergesicht Onkel Polters. »Hier stimmt doch etwas nicht! Warum sind die vier fort? Erzählen Sie mir jetzt keine Märchen! Sonst könnte ich heftig werden!«
    Der Portier sagte: »Warum die beiden Damen und Herr Kesselhuth fort sind, weiß ich nicht.«
    »Und Herr Schulze?«
    »Einige Gäste haben sich beschwert. Herr Schulze störe die Harmonie. Die Direktion bat ihn, abzureisen. Er trug der Bitte sofort Rechnung. Daß zu guter Letzt vier Personen abfuhren, hatten wir nicht erwartet.«
    »Nur vier?« fragte Doktor Hagedorn. Er trat vor den Fahrplan, der an der Wand hing. »Ich fahre natürlich auch. In einer Stunde geht mein Zug.« Er rannte zur Treppe. Der Portier war dem Zusammenbrechen nahe. Er schleppte sich ins Büro, sank dort in einen Stuhl und meldete Karl dem Kühnen das neueste Unglück.
    »Hagedorns Abreise muß verhindert werden!« behauptete der Direktor. »So ein verstimmter Millionär kann uns derartig in Verruf bringen, daß wir in der nächsten Saison die Bude zumachen können.«
    Sie stiegen ins erste Stockwerk und klopften am Appartement 7.
    Aber Hagedorn antwortete nicht. Herr Kühne drückte auf die Klinke.
    Die Tür war abgeriegelt. Sie hörten es bis auf den Korridor hinaus, wie im Zimmer Schubkästen aufgezogen und Schranktüren zugeknallt wurden.
    »Er packt sehr laut«, sagte der Portier beklommen. Sie gingen traurig in die Halle hinunter und warteten, daß der junge Mann erschiene.
    Er erschien. »Den Koffer bringt der Hausdiener zur Bahn. Ich gehe zu Fuß.«
    Die beiden liefen neben ihm her. »Herr Doktor«, flehte Karl der Kühne, »das dürfen Sie uns nicht antun.«
    »Strengen Sie sich nicht unnötig an!« sagte Hagedorn. An der Tür stieß er mit der Verkäuferin aus dem Blumenladen zusammen. Sie brachte die Geschenke, die er vor knapp zwei Stunden eingekauft hatte. »Ich habe mich etwas verspätet«, meinte sie.
    »Ein wahres Wort«, sagte er.
    »Der Strauß ist dafür besonders schön geworden«, versicherte sie.
    Er lachte ärgerlich. »Das Bukett können Sie sich ins Knopfloch stecken! Behalten Sie das Gemüse!« Sie staunte, knickste und entfernte sich eilends. Nun stand Fritz, mit einem Zinnkrug, einer Kiste Zigarren und einem originellen Ohrgehänge allein in Bruckbeuren.
    Der Diener fragte: »Dürfen wir Sie wenigstens bitten, in Ihren Kreisen über den höchst bedauerlichen Zwischenfall zu schweigen?«
    »Der Ruf unseres Hotels steht auf dem Spiele«, bemerkte Onkel Polter ergänzend.
    »In meinen Kreisen?« meinte Hagedorn verwundert. Dann lachte
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