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Drei Männer im Schnee

Drei Männer im Schnee

Titel: Drei Männer im Schnee
Autoren: Erich Kästner
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sagte: »Fritz, sprich jetzt nicht weiter! Ich bitte dich darum.
    Rede jetzt keinen Unsinn, ja? Ich verbiete es dir!« Er trat zu dem jungen Mann, der ein störrisches Gesicht machte. »Was fällt dir eigentlich ein? Ist dir unsere Freundschaft so wenig wert, daß du sie ganz einfach wegwerfen willst? Bloß, weil ich Geld habe? Das ist doch keine Schande!« Er packte den jungen Mann am Arm und ging mit ihm im Zimmer auf und ab. »Schau her! Daß ich mich als armer Mann verkleidete, das war ein wenig mehr als ein Scherz. Ich wollte einmal ohne den fatalen Nimbus des Millionärs unter Menschen gehen. Ich wollte ihnen näherkommen. Ich wollte erleben, wie sie sich zu einem armen Mann benehmen. Nun, der kleine Scherz ist erledigt. Was ich erleben wollte, hat wenig zu bedeuten, wenn ich’s mit dem vergleiche, was ich erlebt habe. Ich habe einen Freund gefunden. Endlich einen Freund, mein Junge! Komm, gib dem ollen Tobler die Hand!« Der Geheimrat streckte Fritz die Hand entgegen.
    »Donnerwetter noch einmal, du Dickschädel! Wird’s bald?«
    Fritz ergriff die dargebotene Hand. »Geht in Ordnung, Eduard«, sagte er. »Und nichts für ungut.«
    Als sie das Speisezimmer betraten, meinte der Geheimrat: »Wir sind natürlich die ersten. Daß die Frauen immer so lange klatschen müssen!«
    »Ja, richtig«, sagte Hagedorn. »Du hast eine Tochter. Wie alt ist denn das Ganze?«
    Tobler schmunzelte. »Sie befindet sich im heiratsfähigen Alter und ist seit ein paar Tagen verlobt.«
    »Fein«, meinte Fritz. »Ich gratuliere. Nun aber ernsthaft: Weißt du wirklich nicht, wo Hilde wohnt?«
    »Sie hat mir keine Adresse angegeben«, erwiderte der Geheimrat diplomatisch. »Aber du wirst sie schon noch kriegen. Die Hilde und die Adresse.«
    »Ich habe auch so das Gefühl«, sagte der junge Mann. »Aber wenn ich sie erwische, kann sie was erleben! Sonst denkt sie womöglich, ich lasse mich in der Ehe auf den Arm nehmen. Da muß man rechtzeitig durchgreifen. Findest du nicht auch?«
    Durch eine Tür, die sich öffnete, rollte ein Servierwagen. Ein grauhaariger Diener folgte. Er schob den mit Schüsseln beladenen Wagen vor sich her und hielt den Kopf gesenkt. Als das Fahrzeug stillstand, hob er das Gesicht und sagte: »Guten Abend, Herr Doktor.«
    »’n Abend«, entgegnete Hagedorn. Dann aber sprang er hoch. »Herr Kesselhuth!« Der Diener nickte. »In der Tat, Herr Doktor.«
    »Und die Reederei?«
    »War Rederei«, erklärte der Geheimrat. »Johann ist mein alter Diener. Ich wollte nicht allein nach Bruckbeuren fahren. Deshalb mußte er den Schiffahrtsbesitzer spielen. Er hat seine Rolle glänzend gespielt.«
    »Es war nicht leicht«, sagte Johann bescheiden.
    Fritz fragte: »Widerspricht es Ihrer Berufsauffassung, wenn ich Ihnen herzhaft die Hand schüttle?« Johann sagte: »Im vorliegenden Falle darf ich, glaube ich, eine Ausnahme machen.«
    Fritz drückte ihm die Hand. »Jetzt begreife ich erst, warum Sie über Eduards Zimmer so entsetzt waren. Ihr habt mich ja schön angeschmiert!« Johann sagte: »Es war kein Zimmer, sondern eine Zumutung.«
    Fritz setzte sich wieder. Der alte, vornehme Diener tat die Schüsseln auf den Tisch. Der junge Mann meinte lachend: »Wenn ich bedenke, daß ich mich deinetwegen habe massieren lassen müssen, dann müßte ich von Rechts wegen unversöhnlich sein. Ach, ich habe dir übrigens einen alten Zinnkrug gekauft. Und Ihnen, Johann, eine Kiste Havanna. Und für Hilde ein Paar Ohrgehänge. Die kann ich mir jetzt durch die Nase ziehen.«
    »Vielen Dank für die Zigarren, Herr Doktor«, meinte Johann.
    Hagedorn schlug auf den Tisch. »Ach, das wißt ihr ja noch gar nicht!
    Bevor ich wegfuhr, habe ich doch dem Hoteldirektor und dem Portier mitgeteilt, daß ich gar kein verkleideter Millionär wäre! So lange Gesichter, wie es da zu sehen gab, sind selten.«
    Tobler fragte: »Johann, hat Generaldirektor Tiedemann angerufen?«
    »Noch nicht, Herr Geheimrat.« Der Diener wandte sich an Hagedorn. »Der Toblerkonzern wird heute oder morgen das Grandhotel Bruckbeuren kaufen. Und dann fliegen die beiden Herren hinaus.«
    »Aber Eduard«, sagte Fritz. »Du kannst doch zwei Angestellte nicht für den Hochmut der Gäste büßen lassen! Es waren zwei Kotzbrocken, zugegeben. Doch dein Einfall, als eingebildeter Armer in einem Luxushotel aufzutreten, war auch reichlichschwachsinnig.«
    »Johann, hat er recht?« fragte der Geheimrat.
    »So ziemlich«, gab der Diener zu. »Der Ausdruck ›schwachsinnig‹
    scheint mir
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