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Drei Männer im Schnee

Drei Männer im Schnee

Titel: Drei Männer im Schnee
Autoren: Erich Kästner
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anständig. Bitte, zeigen Sie mir eine Fotografie!«
    Herr Schulze stand auf. »Nehmen Sie mir’s nicht übel! Aber ich glaube, Sie haben einen Stich.« Er trat zum Klavier, nahm ein Bild herunter und sagte: »Da!« Hagedorn erblickte ein mageres, häßliches Fräulein. Es war eine Aufnahme von einem Kostümfest.
    Hilde Schulze war als Pierrot verkleidet und lächelte neckisch. Daß sie schielte, konnte am Fotografen liegen. Aber daß sie krumme Beine hatte, war nicht seine Schuld.
    »Allmächtiger!« flüsterte er. »Hier liegt ein Irrtum vor. Verzeihen Sie die Störung!« Er stürzte in den Korridor, geriet statt auf die Treppe in ein Schlafzimmer, machte kehrt, sah Herrn Schulze wie einen rächenden Engel nahen, öffnete glücklicherweise die richtige Tür und raste die Treppe hinunter.
    Nach diesem Erlebnis fuhr er mit der Straßenbahn heim.
    Dreiundzwanzig Schulzes hatte er absolviert. Er hatte noch gut fünf Tage zu tun.
    Seine Mutter kam ihm aufgeregt entgegen. »Was glaubst du, wer hier war?«
    Er wurde lebendig. »Hilde?« fragte er. »Oder Eduard?«
    »Ach wo«, entgegnete sie.
    »Ich gehe schlafen«, meinte er müde. »Spätestens in drei Tagen nehme ich einen Detektiv.«
    »Tu das, mein Junge. Aber heute abend gehen wir aus.
    Wir sind eingeladen. Ich habe dir ein bildschönes Oberhemd besorgt. Und eine Krawatte. Blau und rot gestreift.«
    »Vielen Dank«, sagte er und sank auf einen Stuhl. »Wo sind wir denn eingeladen?« Sie faßte seine Hand. »Bei Geheimrat Tobler.«
    Er zuckte zusammen.
    »Ist das nicht großartig?« fragte sie eifrig. »Denke dir an! Es klingelte dreimal. Ich gehe hinaus. Wer steht draußen? Ein Chauffeur in Livree. Er fragt, wann du aus Bruckbeuren zurückkämst? ›Mein Sohn ist schon da‹, sage ich. ›Er kam heute früh an.‹ Er verbeugte sich und sagte: ›Geheimrat Tobler bittet Sie und Ihren Herrn Sohn, heute abend seine Gäste zu sein. Es handelt sich um ein einfaches Abendbrot. Der Herr Geheimrat möchte seinen neuen Mitarbeiter kennenlernen.‹ Dann druckste er ein bißchen herum. Endlich meinte er: ›Kommen Sie, bitte, nicht in großer Toilette. Der Geheimrat mag das nicht besonders. Ist Ihnen acht Uhr abends recht?‹ Ein reizender Mensch. Er wollte uns im Auto abholen. Ich habe aber gesagt, wir führen lieber mit der Straßenbahn. Die 176 und die 76 halten ja ganz in der Nähe. Und große Toiletten, habe ich gesagt, hätten wir sowieso nicht, da brauchten sie keine Bange zu haben. Sie sah ihren Sohn erwartungsvoll an.
    »Da müssen wir wohl hingehen«, meinte er. Frau Hagedorn traute ihren Ohren nicht. »Deinen Kummer in allen Ehren, mein Junge«, sagte sie dann. »Aber du solltest dich wirklich ein bißchen zusammennehmen!« Sie fuhr ihm sanft übers Haar. »Kopf hoch, Fritz! Heute gehen wir zu Toblers! Ich finde es sehr aufmerksam von dem Mann. Eigentlich hat er es doch gar nicht nötig, wie? Ein Multimillionär, der einen Konzern besitzt, sicher hat er tausend Angestellte. Wenn der mit allen Angestellten Abendbrot essen wollte! Es ist schließlich eine Ehre. Heute erledigen wir das Geschäftliche. Ich ziehe das Schwarzseidene an. Eine alte Frau braucht nicht modern herumzulaufen. Wenn ich ihm nicht fein genug bin, kann ich ihm auch nicht helfen.«
    »Natürlich, Muttchen«, sagte er.
    »Siehst du wohl«, meinte sie. »Zerbrich dir wegen deiner zwei Schulzes nicht den Kopf, mein Junge! Morgen ist auch noch ein Tag.«
    Er lächelte bekümmert. »Und was für ein Tag!« sagte er.
    Dann ging er aus dem Zimmer.

Das zwanzigste Kapitel - Das dicke Ende
    Fritz Hagedorn und seine Mutter folgten dem Diener, der ihnen das Parktor geöffnet hatte. Zwischen den kahlen Bäumen schimmerten in regelmäßigen Abständen große Kandelaber. Auf der Freitreppe flüsterte die Mutter: »Du, das ist ja ein Schloß!«
    In der Halle nahm ihnen der Diener die Hüte und die Mäntel ab. Er wollte der alten Dame beim Ausziehen der Überschuhe behilflich sein. Sie setzte sich, drückte ihm den Schirm in die Hand und sagte:
    »Das fehlte gerade noch!«
    Sie stiegen ins erste Stockwerk. Er schritt voraus. In einer Treppennische stand ein römischer Krieger aus Bronze. Mutter Hagedorn deutete hinüber. »Der paßt auf, daß nichts wegkommt.«
    Der Diener öffnete eine Tür. Sie traten ein. Die Tür schloß sich geräuschlos. Sie standen in einem kleinen Biedermeiersalon. Am Fenster saß ein Herr. Jetzt erhob er sich.
    »Eduard!« rief Fritz und stürzte auf ihn los. »Gott sei Dank, daß du
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