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Drei Eichen (German Edition)

Drei Eichen (German Edition)

Titel: Drei Eichen (German Edition)
Autoren: Helmut Vorndran
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widersprach dem Ehrenkodex der Waidmänner. Nein, Marco Probst würde heute Nacht nur auf die Wildsau ansitzen, und vielleicht erwischte er sogar noch einen Dachs, wenn er denn Glück hatte. Von seinem Hochstand aus fiel sein Blick genau auf den Eingang vom Dachsbau. Sollte Meister Grimmbart im Laufe dieser Nacht hier aufkreuzen, dann hatte sein letztes Stündlein geschlagen, dafür würde er schon sorgen, dachte Marco Probst entschlossen.
    Der Bagger nahm keine Rücksicht auf Gras, Wurzeln oder sonstige Hindernisse und hob mit urgewaltiger Kraft Schaufel für Schaufel Mutterboden aus dem Wald, um diesen anschließend auf einem riesigen Lastwagen abzuladen, der unweit von ihm auf einem befestigten Waldweg stand. Noch vor ein paar Tagen hatte es diesen Weg nicht gegeben, da das Windrad an einer Stelle errichtet werden sollte, wo bisher absolute Wildnis geherrscht hatte. Die Proteste von Naturschützern waren dementsprechend ausgefallen, aber alles Schreien hatte nichts genützt. Die Baustelle war genehmigt worden, also durfte man im Zuge dessen auch eine kleine Waldautobahn mitten in den alten Baumbestand der Eierberge planieren.
    Fiederling ging das alles sowieso nichts an, er tat nur seine Arbeit, und zwar so professionell wie möglich. Konzentriert beobachtete er, wie der Caterpillar baggerte, um mit der herausgeschaufelten Erde den Lastwagen zu befüllen.
    Plötzlich irritierte ihn etwas von dem, was da von der Schaufel des Caterpillar auf den Lastwagen polterte. Wahrscheinlich irrte er sich, aber er war es gewohnt, allen Eventualitäten nachzugehen und mögliche Komplikationen von vornherein auszuschließen. Lieber einmal übervorsichtig sein, als plötzlich eine Gasleitung anbaggern oder durch einen vergessenen Keller brechen. Fiederling gab dem Baggerführer mit dem linken Arm ein Zeichen, woraufhin das angestrengte Brüllen der Gerätschaft sofort einem monotonen Gurgeln wich und der Caterpillar in den Standby-Modus schaltete. Der Bauleiter stützte seinen linken Fuß gegen eins der riesigen Räder des Lastwagens, griff mit beiden Händen an die Stahlkante der Ladefläche und zog sich daran behände hinauf, um nachzusehen, was da gerade Merkwürdiges von der Baggerschaufel gefallen war.
    Während Marco Probst auf seinen Hochsitz kletterte, begann es leicht zu nieseln. Der Mond hatte sich bereits vor einigen Minuten hinter Wolken verzogen, sodass auf der Lichtung nur noch mit Mühe etwas zu erkennen war. Wenigstens war es nicht neblig. Bald aber wurde aus dem feinen Niesel ein ergiebiger Schauer, und der eben noch frohgemute Jägersmann begann seinen Jagdausflug zu bereuen. Er konnte sich weiß Gott etwas Angenehmeres vorstellen, als bei nächtlichem Regen und Temperaturen von knapp über null Grad auf einem Hochsitz auszuharren.
    Schöne Grüße an die Eisheiligen, dachte er, aber nur wenige Minuten später ließ der Regen wieder nach, und der volle Mond kroch hinter den abziehenden Wolken hervor. Alles war wieder so, wie es seiner Meinung nach sein sollte. Er hatte sich gerade auf seinem Sitz zurechtgeruckelt und sich in seinen warmen Ansitzsack geschnürt, als seine geschulten Augen an der linken Waldrandseite, etwa fünfzig Meter entfernt, eine Bewegung registrierten. Er hob den Feldstecher und suchte durch ihn die vermeintliche Stelle ab. Ein paar leicht federnde Zweige waren zu erkennen, aber das konnte auch Einbildung sein. Wieder lehnte er sich auf seinem Hochsitz zurück und schloss die Hände fest um seinen Blaser Drilling. Verdächtige Bewegungen gab es öfter, erfolgreiche Ansitze dagegen eher selten. Nun gut, als Jäger brauchte man Geduld, und davon hatte er reichlich.
    Weitere Minuten vergingen, in denen Marco Probst sich innerlich bereits in die rezepttechnische Planung für den nächsten Tag versenkt hatte. Da glaubte er erneut, eine leichte Bewegung zu sehen. Diesmal unweit vor ihm, direkt am Rand der Waldlichtung, nur etwa dreißig Meter entfernt. So gut er konnte, ruckelte er sich mitsamt Ansitzsack nach vorn und hob den Drilling über das runde Holz des Geländers des Jägerstandes. Da er durch den toten Winkel nicht ausreichend gut nach unten blicken konnte, schob er seinen Oberkörper so weit wie möglich über die Holzbrüstung, während er mit der rechten Hand bereits das Gewehr anhob. Was seine Waidmannsaugen daraufhin erblickten, war kein Wild im eigentlichen Sinne. Vor ihm stand ein schwarz gekleideter Mann, der einen merkwürdig geformten Bogen in den Händen hielt. Das allein war
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