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Drei Eichen (German Edition)

Drei Eichen (German Edition)

Titel: Drei Eichen (German Edition)
Autoren: Helmut Vorndran
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das größte, das je für das Fundament eines Windrades genehmigt worden war. Eigentlich hätte das Fundament, für das er den Aushub machen sollte, knapp zweihundert Meter weiter nördlich entstehen sollen, aber eben dort war man kurz vor Baubeginn mit einem Murenabgang konfrontiert worden. So hatte man festgestellt, dass der Untergrund doch nicht so festgefügt wie erwartet gewesen war.
    Fiederlings Chef, Georg Fiesder, hatte den Standort daraufhin kurzerhand an die aktuelle Stelle verlegt. Die stillschweigende Genehmigung für dieses eigentlich illegale Manöver hatte er sich zusammen mit seinen Gönnern in der Politik auf die übliche Art und Weise besorgt. Geld – und noch mehr Geld. Und so war das Windrad einfach zweihundert Meter nach Süden verschoben worden, bevor irgendjemand auch nur irgendetwas gemerkt hatte.
    Hubert Fiederling ging Politik am Allerwertesten vorbei, ihn interessierten solche Ränkespiele nicht. Viel lieber stand er als Chef der Baukolonne inmitten des einsetzenden Frühlingsregens. Er gab dem Baggerführer ein kurzes Zeichen mit der rechten Hand, woraufhin sich die Stahlzähne der riesigen Schaufel des Caterpillar mit einem Seufzen in den feuchten Waldboden senkten. Im gleichen Moment erhob sich direkt neben der Baggerschaufel ein kleiner Vogel in die Luft und flatterte mit wild protestierendem Pfeifen auf und davon. Hubert Fiederling sprang erschrocken auf die Seite, doch der Bagger verrichtete ungerührt seine schwere Arbeit weiter.
    Marco Probst übte seinen Beruf als Koch mit großer Sorgfalt und Professionalität aus, während seine zweite Leidenschaft der Jagd galt. Schon seit dem Ende seiner Lehrzeit, zeitgleich hatte er seinen Jagdschein gemacht, versuchte er, wann immer es ihm möglich war, seine beiden wichtigsten Lebensinhalte miteinander zu vereinen.
    Oft war er als Jäger unterwegs und »verbriet« die Früchte seiner Arbeit am nächsten Tag in der Küche. So hatte er sich inzwischen einen guten Ruf als Koch von Wildschwein, Reh und Fasan erarbeitet. Was die meisten Besucher aber nicht wussten: Es gab auch ganz besondere Leckereien, die der normale Gast in Probsts Restaurant in Prächting nie zu Gesicht bekam. Köstlichkeiten wie Dachs, Reiher oder Kormoran schob er zum Beispiel nur für den privaten Genuss in den Ofen. Sie wurden ausschließlich Kollegen, Freunden oder sonstigen privat Interessierten als Festessen aufgetischt. Jedes Mal war es ein sowohl kulinarisches als auch gesellschaftliches Vergnügen, etwa einen Fuchs zu verspeisen. In Deutschland war das Erlegen der Tiere inzwischen verboten, aber beispielsweise in Sizilien galt der Fuchs noch als ausgesprochene Delikatesse. Wobei die Sizilianer nicht wirklich als Benchmark für fleischliche Genüsse herhalten konnten, schoben die doch seit jeher ziemlich alles in den Ofen, was nicht schnell genug auf den Bäumen war.
    Für einen Deutschen kochte Marco Probst also ziemlich innovativ. Bei so vielen Facetten der heimischen Tierwelt konnte es doch nicht schaden, einmal durchzutesten, was essbar war und was nicht. Da durfte ruhig auch mal etwas schiefgehen, so wie etwa der terroristische Schwan letzte Woche.
    Schwan hatte auf Probst eigentlich leidlich essbar gewirkt. Komisch, hatte er sich gedacht, dass noch niemand auf die Idee gekommen war, ihn auf die Speisekarte zu setzen. Als Probst den Vogel aus der Röhre geholt hatte und den ersten Bissen nahm, wusste er allerdings auch, warum dem so war. Das Fleisch des üppigen Federviehs schmeckte nicht etwa nach Ente oder Gans, sondern eher nach altem Schuh, den man zwei Monate lang in ranzige Butter eingelegt hatte. Grauenhaft. Einfach nur grauenhaft. Aber irgendwie passte das Ergebnis ja auch zum Gesamtbild. Schon die Geschichte, die dem Schwanenbraten vorausgegangen war, hatte unter keinem guten Stern gestanden.
    Das männliche Tier war seit Tagen aggressiv und nicht mehr zu beruhigen gewesen. Ein militanter Fundamentalist seiner Art. Einen Grund für das angriffslustige Verhalten des Tieres hatte Probst beim besten Willen nicht erkennen können. Vielleicht ein traumatisches Erlebnis, vielleicht eine hormonelle Störung, vielleicht auch nur männlicher Altersstarrsinn? Schließlich hatte Theo schon ein stattliches Schwanenalter erreicht. Als der gute Theo in seinem Schwanenwahn keine Besucher des Schlosses Hohenstein mehr durch den steinernen Eingangstorbogen hinein- oder hinausgelassen und den einen oder anderen Hausgast bereits aufs Heftigste gebissen hatte, hatte sich
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