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Drei Eichen (German Edition)

Drei Eichen (German Edition)

Titel: Drei Eichen (German Edition)
Autoren: Helmut Vorndran
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Augen nicht.
    »Was ist denn das?«, kam es verblüfft über seine Lippen.
    »Ah, das Aufräumkommando ist eingetroffen.« Der junge Kommissar drehte sich um. »Und falls Sie’s nicht wissen, Meister Sachse: Das hier ist eine Leiche. Beziehungsweise, um es noch genauer zu sagen, es ist der männliche Hauptdarsteller der Veranstaltung hier, der Bräutigam«, erklärte Lagerfeld dem immer noch erstaunt dastehenden Sachse.
    In seiner Karriere als Bestattungsunternehmer hatte Sachse ja schon einiges erlebt, aber das hier war selbst für ihn ein Novum. Um die Absperrung herum standen die geschockten Überbleibsel der nicht vollzogenen katholischen Trauung: teils mit Tränen im Gesicht, teils mit maskenhaft verzerrten Mienen, sichtlich um Fassung ringend, während die Braut in ihrem schneeweißen Hochzeitskleid etwas abseits auf einer Bierbank von einem Psychologen betreut wurde.
    Die Leiche des dunkelhaarigen Mannes im edlen schwarzen Anzug lag mit dem Gesicht im Gras vor der Südseite der Kapelle. Die Liegeposition war für Tote an sich erst einmal nicht ungewöhnlich, anders verhielt es sich allerdings mit dem schwarzen Pfeil, der dem Exbräutigam im Rücken steckte. Eigentlich hätte Sachse froh über diesen eher leicht zu handhabenden Todesfall sein müssen. Frisch verstorben, keine Verwesung, Würmer oder sonstigen Tierchen, die nach gewisser Zeit zur Kadaverbeseitigung beitrugen, und auch kein Zimmer, das gereinigt werden musste, oder Möbel, von denen er Hirnmasse des gerade Verblichenen zu kratzen hatte. Aus professioneller Sicht eines Bestatters schien dies ein komfortabler Tagesauftrag zu sein, und trotzdem nahm Sachse der Anblick des Toten irgendwie mit. Vielleicht war es auch nur die ungewohnte Schlichtheit des gerade verübten Verbrechens, die ihn erschauern ließ.
    »Ach du Scheiße«, brachte der Bestatter seine Gefühle auf den Punkt, woraufhin Lagerfeld zustimmend nickte.
    »Genau das lag mir auch gerade auf der Zunge«, sagte er grübelnd und steckte sich nachdenklich eine Zigarette an.
    Als der Hubschrauber der »Fiesder Airlines« nahe der Baustelle auf den Eierbergen landete und der Firmenchef selbst aus dem Fluggerät stieg, kam ihm sein Baustellenleiter sofort entgegengeeilt. Georg Fiesder war gespannt, was der Grund für dessen ungewöhnliche Aufregung war, am Telefon hatte er sich nur kryptisch geäußert.
    Fiesder blickte sich um. Der Umstand, dass die Baustelle ruhte, gefiel ihm ganz und gar nicht. Der Bagger stand still, die Bauarbeiter lungerten rauchend oder abwartend in der Gegend herum, und das Loch für das Fundament hätte noch nicht einmal für einen Kindergartenspielplatz in Tütschengereuth gereicht. Was war hier los, zum Teufel? Warum verschwendete man hier sein Geld in Form von vertrödelten Arbeitsstunden?
    Während sie im Regen zum etwas entfernt stehenden Laster hinübergingen, versuchte Fiesder voller Ungeduld etwas aus seinem langjährigen Baustellenleiter herauszubringen. Doch Fiederling schwieg eisern und ging mit versteinerter Miene seinem Chef zum Lastwagen voraus. Fiesders Laune wurde dadurch nicht besser, noch dazu war sein geliebter schwarzer Hut auf dem Weg zum Lastwagen ungeschützt dem penetranten Regen ausgesetzt. Schließlich stiegen beide Männer auf die Ladefläche des Transportfahrzeugs, und Fiederling zeigte seinem Chef zuerst den gelben schlauchartigen Plastikfetzen, der diesen allerdings nicht weiter beeindruckte, sondern ihn nur noch ungeduldiger werden ließ.
    »Was soll das, Fiederling, wollen Sie mich verarschen? Des kört in den gelben Sack nei, dafür muss ich mir doch net von Ihnen mein Nachmiddach versaun lassen!«, pfiff er seinen Vorarbeiter an, der aber unbeeindruckt etwas anderes aus dem Dreck der Lastwagenladung hob.
    Als die dicken Tropfen des Pfingstregens über das gezeigte Objekt liefen, erkannte auch Georg Fiesder, was Fiederling ihm da vor die Nase hielt. Dann passierte etwas sehr Seltsames. Etwas, das Fiederling in all den Jahren, in denen er bei der Firma beschäftigt war, nicht ein einziges Mal erlebt hatte. Seinem Chef Georg Fiesder verschlug es die Sprache, zwar nur für einen kurzen Moment, aber immerhin. Noch nie hatte der bisher völlig skelettierte, knochige Überreste eines menschlichen Armes aus der Nähe gesehen. Vor allem nicht im Schüttgut seiner Lastwagenflotte.
    »Des is net gut«, stieß der alte Baustellenhaudegen spontan aus.
    »Nein, ist es nicht, ganz und gar nicht«, pflichtete ihm Fiederling bei und setzte sich mit
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