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Drei Eichen (German Edition)

Drei Eichen (German Edition)

Titel: Drei Eichen (German Edition)
Autoren: Helmut Vorndran
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so weit war ihr Leo nun wirklich noch nicht. Bis jetzt hatte sie es immer noch geschafft, ihn in einem lebendigeren Zustand zu bewahren als seine berufliche Klientel. Und auch heute würde Leonhard Sachse das Haus als gut aussehender wacher Chef einer gut gehenden Bestattungsfirma verlassen und in der ihm eigenen Professionalität seine Arbeit erledigen. Sie schüttete die Chilikerne in die Kaffeetasse und überbrühte diese mit einem dreifachen Espresso, den sie separat aufgekocht hatte. Dann gab sie noch eine Messerspitze braunes Pflanzenpulver hinzu, von dem nur sie wusste, woraus es bestand. Jetzt musste das Ganze noch circa fünf Minuten in der Mikrowelle aufkochen, dann würde es seine phantastische Wirkung entfalten.
    »Ist mein Zombie schon fertig?«, knurrte Leo Sachse, der mit verquollenen Augen und nur mit Unterhose bekleidet in der Tür stand.
    »Du kannst dich ruhig erst noch aufhübschen, mein Untoter«, säuselte sie lächelnd. Irgendwie sah er schon süß aus in seinem orangenen Slip und den weißblond gefärbten Haaren, die im Normalfall senkrecht hochstanden, sich jetzt aber wirr nach allen Richtungen orientierten. Seufzend machte sich Leo Sachse auf den Weg Richtung Badezimmerspiegel.
    Seine Frau Eileen sah ihm lächelnd hinterher, bis er die gläserne Badtür hinter sich geschlossen hatte. Vor ein paar hundert Jahren hätte man sie sicher auf dem Scheiterhaufen als Hexe verbrannt, dachte sie. Dunkle Haare, die Augen zu selbstbewusst, aber vor allem zeigte sie zu wenig Respekt vor Althergebrachtem. Doch früher war früher, und heute würde sie nur einen Mann verzaubern, der irgendwie Gefallen am Bestattungswesen gefunden hatte und berufsbedingt unter Schlafmangel litt. Ihre Gedanken wurden jäh unterbrochen, als hinter ihr die Uhr der Mikrowelle ertönte und mit schrillem Klang die Vollendung des Zombies verkündete.
    In Staffelstein angekommen, bog der Bestatter rechts ab und fuhr über Romansthal in Richtung Staffelberg. Der Zombie hatte ganze Arbeit geleistet, er war hellwach.
    Wie schon zuvor an diesem Tag musste er den Kopf schütteln. Das war der mit Abstand verrückteste Pfingstsamstag, den er bisher in seinem Leben erlebt hatte. Doch wenn er jetzt noch glaubte, dieser Tag wäre nicht mehr steigerungsfähig, so hatte er sich getäuscht. Gleich hinter Romansthal lag der Parkplatz für das Touristenvolk, von dem aus man zum Staffelberg hinauflaufen konnte. Es waren nur vereinzelte Fahrzeuge zu sehen, dafür sperrten etliche Polizisten mit weiß-rotem Trassierband die Zufahrten zum Staffelberg ab. Ein Beamter beseitigte für ihn kurz die Hindernisse, sodass er mit seinem Leichenwagen den geteerten Weg linker Hand nehmen konnte. Der schwarze Mercedes folgte der schmalen Straße, bis er wieder auf eine Polizeistreife traf, die wohl Wanderer oder sonstige Neugierige am Weiterkommen hindern sollte. Da er als Leichenabtransporteur jedoch zwingend vonnöten war, wurde er auch hier sofort durchgewunken. Mit seinem Berufsbild gingen eben auch Privilegien der besonderen Art einher.
    Auf einem breiten Kiesweg ging es erst einmal flach dahin. Für die wunderschöne Aussicht hinunter ins Maintal hatte er keinen Sinn. Dann knickte der Weg plötzlich scharf nach links ab und führte etwa einhundert Meter steil den Berg hinauf. Auch hier waren Polizisten postiert, um den von unten kommenden Wanderweg zu blockieren. Als Leo Sachse endlich das bekannte Gipfelplateau erreichte, brachte er den Mercedes an der Staffelbergklause zum Stehen. Dass es auf dem Staffelberg von allerlei Menschen wimmelte, war an sich keine Besonderheit. Aber dass der heutige Auflauf zum einen aus einer verschreckten Hochzeitsgesellschaft und zum anderen aus einer außergewöhnlich hohen Anzahl von Polizeikräften bestand, das unterschied den heutigen Pfingstsamstag dann doch von so ziemlich allen Tagen, die der Berg bisher gesehen hatte.
    Leonhard Sachse blickte zur Kapelle des Staffelberges hinüber, die irgendwann einmal der heiligen Adelgundis geweiht worden war und neben der sich die eindeutig größte Menschentraube befand. Als er einen hageren Mann mit Cowboystiefeln, Sonnenbrille und Pferdeschwanz erkannte, huschte ein kurzes Lächeln der Erkenntnis über sein Gesicht. Lagerfeld. Die Bamberger Kripo war also auch schon vor Ort. Zielsicher ging er auf den jungen Kommissar zu, der nachdenklich etwas betrachtete, das vor ihm auf dem Boden lag. Als Sachse näher trat und sich zu Kommissar Bernd Schmitt gesellte, traute er seinen
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